Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
Fingerprinting, die Analyse der DNS, möglich wäre. Fingerabdrücke kann man wegwischen, aber was macht man mit Sperma, Kopf- und Körperhaaren? Der Mörder hat versucht, das Terrain zu säubern.«
»Già«, meinte Montalbano.
»Entschuldigen Sie, aber wenn es nichts mehr zu besprechen gibt, würde ich jetzt gern fahren. Ich werde langsam ein bisschen müde.«
Der Dottore schloss die Tür ab, und Montalbano versiegelte sie wieder. Sie fuhren los.
»Haben Sie ein Handy?«
Der Dottore gab es ihm, und der Commissario rief Pasquano an und machte für zehn Uhr am nächsten Vormittag einen Termin für die Identifizierung aus.
»Kommen Sie auch?«
»Ich müsste eigentlich, aber ich kann nicht, ich habe außerhalb von Vigàta zu tun. Ich schicke Ihnen einen Kollegen, er bringt Sie hin.«
Am Ortsrand ließ er sich absetzen, er hatte das Bedürfnis, ein paar Schritte zu gehen.
»Ah, dottori dottori! Der Dottor Latte mit dem S am Ende hat drei Mal angerufen, er ist stinksauer, wenn Sie erlauben.
Sie müssen ihn persönlich sofort selber anrufen.«
» Pronto, Dottor Lattes? Hier ist Montalbano.«
» Alla grazia! Kommen Sie sofort nach Montelusa, der Questore will Sie sprechen.«
Er legte auf. Es war wohl ernst, denn lattes war der ganze mieles abhanden gekommen.
Der Commissario wollte gerade losfahren, als er den Streifenwagen mit Galluzzo am Steuer kommen sah.
»Hast du was von Dottor Augello gehört?«
»Ja, das Krankenhaus hat angerufen, dass er entlassen wird.
Ich hab ihn abgeholt und nach Haus gebracht.«
Zum Teufel mit dem Questore und seinen dringlichen Angelegenheiten. Er fuhr erst mal zu Mimi.
»Na, wie geht's, du furchtloser Verteidiger des Kapitals?«
»Es zerreißt mir fast den Kopf vor Schmerzen.«
»Dann ist es dir wenigstens eine Lehre.«
Blass und mit verbundenem Gesicht, saß Mimi Augello in einem Sessel.
»Ich hab mal einen Schlag mit einer Stange abgekriegt, wurde mit sieben Stichen genäht und hab trotzdem nicht so ausgesehen wie du.«
»Der Hieb schien dir wohl gerechtfertigt. Du wurdest verhauen und warst auch noch zufrieden damit.«
»Mimi, wenn du's drauf anlegst, kannst du wirklich saublöd sein.«
»Du auch, Salvo. Ich hätte dich heute Abend angerufen, weil ich nicht glaube, dass ich morgen in der Lage bin, mich ans Steuer zu setzen.«
»Dann fahren wir ein anderes Mal zu deiner Schwester.«
»Nein, Salvo, fahr trotzdem hin. Sie will dich unbedingt sehen.«
»Weißt du denn, warum?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Also, dann machen wir Folgendes: Ich fahre hin, aber du musst morgen früh um halb zehn nach Montelusa ins Jolly.
Du holst Dottor Licalzi ab, der inzwischen angekommen ist, und bringst ihn in die Gerichtsmedizin. Einverstanden?«
»Wie geht's? Wie geht es Ihnen, mein Teuerster? Sie sehen niedergeschlagen aus. Kopf hoch! Sursum corda! So sagten wir in den Zeiten der Katholischen Aktion.«
Dottor Lattes quoll über vor gefährlichem Honig. Montalbano begann sich Sorgen zu machen.
»Ich sage sofort Signor Questore Bescheid.«
Er verschwand und tauchte gleich wieder auf.
»Signor Questore ist im Augenblick beschäftigt. Kommen Sie, ich bringe Sie in den kleinen Salon. Möchten Sie einen Kaffee oder sonst etwas zu trinken?«
»Nein, danke.«
Dottor Lattes schenkte ihm ein breites väterliches Lächeln und verschwand wieder. Montalbano hatte das sichere Gefühl, dass ihn der Questore zu einem langsamen und schmerzvollen Tod verurteilt hatte. Vielleicht durch die Garrotte.
Auf dem Tischchen des trostlosen kleinen Salons lagen die Wochenzeitschrift »Famiglia cristiana« und der »Osservatore Romano«, untrügliche Zeichen dafür, dass Dottor Lattes der Questura angehörte. Montalbano nahm die Zeitschrift in die Hand und fing an, einen Artikel von Susanna Tamaro zu lesen.
»Commissario! Commissario!«
Eine Hand schüttelte ihn an der Schulter. Er öffnete die Augen und sah einen Polizeibeamten.
»Signor Questore erwartet Sie.«
Gesù! Er hatte tief und fest geschlafen. Er sah auf die Uhr, es war acht, dieser Hornochse hatte ihn zwei Stunden lang antichambrieren lassen.
»Buonasera, Signor Questore.«
Der noble Luca Bonetti-Alderighi antwortete nicht, er sagte keinen Ton, sondern starrte auf den Bildschirm eines Computers. Der Commissario besah sich die beunruhigende Frisur seines Chefs, die sehr üppig war und von einem dicken Büschel, gekringelt wie manche am Wegesrand hinterlassene Scheißhaufen, gekrönt wurde. Der Frisur dieses
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