Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
herausgezogen, weil sie nicht gestört werden wolle.
»Wie geht's denn mit euch beiden?«, fragte Giovanna.
»Ich würde sagen, nicht allzu gut«, antwortete Montalbano diplomatisch.
Was der Commissario auch tat, ob er ein Buch las oder, eine Zigarette rauchend, aufs Meer hinausschaute, unversehens tauchte, deutlich und hartnäckig, immer wieder die Frage auf: Was hatte er in der Villa gesehen oder gehört, das nicht stimmte?
»Pronto, Salvo? Hier ist Anna. Ich komme gerade von Signora Di Blasi. Gut, dass du mich hingeschickt hast. Du verstehst, Verwandte und Freunde machen natürlich einen großen Bogen um eine Familie, in der der Vater verhaftet und der Sohn ein Mörder ist. Diese Mistkerle!«
»Wie geht's der Signora?«
»Wie soll's ihr schon gehen? Sie hatte einen Nervenzusammenbruch, ich musste den Arzt rufen. Jetzt fühlt sie sich besser, auch weil der Anwalt, den ihr Mann sich genommen hat, sie angerufen und gesagt hat, der Ingegnere würde bald entlassen.«
»Werfen sie ihm keine Beihilfe vor?«
»Das weiß ich nicht. Anklagen werden sie ihn wohl schon, aber sie lassen ihn erst mal raus. Kommst du vorbei?«
»Ich weiß nicht, ich muss mal sehen.«
»Salvo, du musst was tun. Maurizio war unschuldig, da bin ich ganz sicher, sie haben ihn ermordet.«
»Anna, das ist doch völlig aus der Luft gegriffen.«
»Pronti, Dottori? Sind Sie es wirklich selber? Hier ist Catarella. Der Mann von der toten Frau hat angerufen. Er hat gesagt, dass Sie ihn persönlich im Tscholli anrufen sollen, heute Abend gegen zehn.«
»Danke. Wie war dein erster Kurstag?«
»Beni, dottori, beni. Ich hab alles verstanden. Der Lehrer hat mir ein Kompliment gemacht. Er hat gesagt, es gibt nicht viele Leute so wie mich.«
Der geniale Einfall kam Montalbano kurz vor acht, und er verlor keine Sekunde, ihn in die Tat umzusetzen. Er stieg ins Auto und fuhr nach Montelusa.
»Nicolò ist auf Sendung«, sagte eine Sekretärin, »aber er ist gleich fertig.«
Keine fünf Minuten später kam Zito herein; er war ganz außer Atem.
»Na, bist du zufrieden? Hast du die Pressekonferenz gesehen?«
»Ja Nicolò, und ich glaube, wir haben ins Schwarze getroffen.«
»Sag mal, warum ist diese Handgranate eigentlich so wichtig?«
»Sollte man eine Handgranate unterschätzen?«
»Los, sag schon, worum es geht.«
»Ich kann noch nicht. Vielleicht kommst du bald von selbst drauf, aber das ist dann deine Sache, und ich hab dir nichts gesagt.«
»Also, was soll ich in den Nachrichten tun oder sagen? Deshalb bist du doch hier, oder? Du bist eh schon längst mein heimlicher Regisseur.«
»Wenn du es machst, schenk ich dir was.«
Er zog eines von Michelas Fotos, die ihm Dottor Licalzi gegeben hatte, aus dem Jackett und reichte es ihm.
»Du bist der einzige Journalist, der weiß, wie die Signora lebend ausgesehen hat. In der Questura von Montelusa haben sie keine Fotos: Ausweise, Führerschein, Pass, falls einer da war, waren in dem Beutel, und der Mörder hat sie mitgenommen. Du kannst es deinen Zuschauern zeigen, wenn du willst.«
Nicolò Zito verzog den Mund.
»Dann muss der Gefallen, den ich dir tun soll, ziemlich groß sein. Schieß los.«
Montalbano stand auf und ging an die Tür, um das Büro des Journalisten abzuschließen.
»Nein«, sagte Nicolò.
»Was nein?«
»Nein zu allem, worum du mich bitten willst. Wenn du die Tür abschließt, lasse ich mich auf gar nichts ein.«
»Wenn du mir hilfst, werde ich dir sämtliche Anhaltspunkte liefern, um eine Bombe auf nationaler Ebene platzen zu lassen.«
Zito antwortete nicht, er war hin und her gerissen, ein Hasenfuß mit Löwenherz.
»Was soll ich tun?«, fragte er schließlich leise.
»Du sollst sagen, dass dich zwei Zeugen angerufen haben.«
»Existieren sie?«
»Der eine ja, der andere nein.«
»Sag mir nur, was der echte Zeuge gesagt hat.«
»Beide. Entweder - oder.«
»Ist dir eigentlich klar, dass ich aus dem Journalistenverband fliege, wenn rauskommt, dass ich einen Zeugen erfunden habe?«
»Natürlich. Und in diesem Fall darfst du sagen, dass ich derjenige war, der dich dazu überredet hat. Dann schicken sie mich auch nach Hause, und wir bauen Saubohnen an.«
»Also, wir machen es so: Erst sagst du, was mit dem falschen Zeugen ist. Wenn die Sache machbar ist, erzählst du mir auch von dem echten.«
»Einverstanden. Heute Nachmittag hat dich nach der Pressekonferenz einer angerufen, der ganz nah bei der Stelle, wo sie Maurizio Di Blasi erschossen haben, auf der Jagd war.
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