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Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Titel: Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Er hat gesagt, es sei nicht so gewesen, wie von Panzacchi dargestellt. Dann hat er wieder aufgelegt, ohne seinen Namen zu nennen. Er hatte eindeutig Angst. Du erwähnst diesen Vorfall nur flüchtig und erklärst souverän, dass du ihm nicht zu viel Bedeutung beimessen willst, weil es sich ja um einen anonymen Anruf handelt, und dass es dir deine journalistische Pflicht verbietet, anonyme Unterstellungen zu verbreiten.«
    »Aber gesagt habe ich es bereits.«
    »Entschuldige, Nicolò, aber ist das bei euch Journalisten nicht gang und gäbe - den Stein zu werfen und die Hand zu verstecken?«
    »Zu diesem Thema sage ich dir nachher noch etwas. Also, was ist jetzt mit dem echten Zeugen?«
    »Er heißt Gillo Jàcono, aber du gibst nur seine Initialen an, G. J. und basta. Dieser Signore hat letzten Mittwoch kurz nach Mitternacht gesehen, wie der Twingo bei der Villa vorfuhr und Michela und ein Unbekannter ausstiegen und in aller Ruhe Richtung Haus gingen. Der Mann hatte einen Koffer dabei. Einen Koffer, kein Köfferchen.
    Und jetzt ist die Frage folgende: Warum hatte Maurizio Di Blasi einen Koffer dabei, als er Signora Licalzi vergewaltigen wollte? Hatte er für den Fall, dass er das Bett schmutzig machte, Bettzeug zum Wechseln dabei? Und weiter: Haben die Leute von der Mordkommission den Koffer irgendwo gefunden? In der Villa war er jedenfalls nicht, das ist sicher.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist alles.«
    Nicolò klang kühl, Montalbanos Vorwurf hinsichtlich der Gepflogenheiten der Journalisten hatte anscheinend gesessen.
    »Apropos journalistische Pflicht. Heute Nachmittag hat mich nach der Pressekonferenz ein Jäger angerufen, um mir zu sagen, es sei nicht so gewesen, wie man es dargestellt habe. Aber da er seinen Namen nicht nennen wollte, habe ich die Nachricht nicht gebracht.«
    »Du verarschst mich.«
    »Ich rufe die Sekretärin und spiele dir die Aufnahme des Gesprächs vor«, sagte der Journalist und erhob sich.
    »Entschuldige, Nicolò. Ist nicht nötig.«

Elf
    Montalbano wälzte sich die ganze Nacht im Bett, ohne einschlafen zu können. Er sah das Bild des getroffenen Maurizio vor sich, wie er noch den Schuh auf seine Verfolger schleudern konnte, diese zugleich komische und verzweifelte Geste eines armen gehetzten Kerls. »Bestraft mich!«, hatte er geschrien, und alle deuteten diesen Ruf flugs auf eine möglichst einleuchtende und beruhigende Weise, bestraft mich, weil ich geschändet und gemordet habe, bestraft mich für meine Sünde. Aber wenn er in diesem Augenblick etwas ganz anderes hatte sagen wollen? Was war ihm durch den Kopf gegangen? Bestraft mich, weil ich anders bin, bestraft mich, weil ich zu sehr geliebt habe, bestraft mich dafür, dass ich geboren wurde: Das konnte man endlos weiterspinnen, und hier machte der Commissario einen Punkt, sei es, weil er solche Entgleisungen in eine Feld-, Wald- und Wiesenphilosophie gar nicht mochte, sei es, weil er plötzlich begriffen hatte, dass die einzige Möglichkeit, dieses quälende Bild und diesen Schrei zu bannen, nicht ein vages Grübeln, sondern die Auseinandersetzung mit den Tatsachen war. Und dafür gab es nur einen Weg, einen einzigen. Nun konnte er endlich zwei Stunden schlafen.
    »Alle«, sagte er zu Mimi Augello, als er ins Kommissariat kam.
    Fünf Minuten später standen alle bei ihm im Zimmer.
    »Macht es euch bequem«, sagte Montalbano. »Das ist keine offizielle Angelegenheit, sondern eine Sache unter Freunden.«
    Mimi und zwei oder drei Weitere setzten sich, die anderen blieben stehen. Grasso, der Catarella vertrat, lehnte sich an den Türpfosten und lauschte mit einem Ohr Richtung Telefon.
    »Gestern hat Dottor Augello, nachdem ich gerade erfahren hatte, dass Di Blasi erschossen wurde, etwas zu mir gesagt, was mich getroffen hat. Er hat ungefähr Folgendes gesagt: Wenn du die Ermittlungen leiten würdest, wäre der Junge jetzt noch am Leben.
    Ich hätte antworten können, dass der Questore mir den Fall entzogen hat und ich daher nicht verantwortlich bin.
    Formal ist das richtig. Aber Dottor Augello hatte Recht. Als der Questore mich zu sich zitiert und mich angewiesen hat, im Mordfall Licalzi nicht weiter zu ermitteln, war ich zu stolz. Ich habe nicht protestiert, ich habe mich nicht gewehrt, ich habe ihm nur zu verstehen gegeben, dass er mich am Arsch lecken kann. Damit habe ich das Leben eines Menschen verspielt. Weil von euch ganz sicher keiner auf einen armen Teufel geschossen hätte, der nicht ganz richtig im Kopf ist.«
    So hatten

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