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Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Titel: Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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bisschen gebrechlich, das ist normal in diesem Alter, aber im Kopf ist er noch hellwach, er erinnert sich an alles und jeden, liest Zeitung und sieht fern. Ich besuche ihn oft, weil er mich mit seinen Erinnerungen und, ich gebe es demütig zu, mit seiner erleuchteten Weisheit begeistert. Denken Sie nur…«
    Wollte sich Avvocato Orazio Guttadauro einen Spaß mit ihm machen? Rief er ihn um ein Uhr nachts zu Hause an, um ihn mit dem Bericht über den körperlichen und geistigen Gesundheitszustand eines Verbrechers wie Balduccio Sinagra zu nerven, wo es für alle besser war, wenn er möglichst bald verreckte? »Avvocato, meinen Sie nicht -«
    »Verzeihen Sie, dass ich so weit abschweife, Dottore, aber wenn ich anfange, von Don Balduccio zu sprechen, für den ich tiefste Verehrung empfinde -«
    »Avvocato, sehen Sie -«
    »Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie, entschuldigen Sie. Verziehen? Verziehen. Ich komme zur Sache. Heute Morgen hat Don Balduccio, als er über allerlei sprach, Wichtiges und Unwichtiges, Ihren Namen erwähnt.«
    »Bei dem Wichtigen oder bei dem Unwichtigen?« Montalbano war die Bemerkung einfach herausgerutscht.
    »Ich verstehe nicht«, sagte der Avvocato.
    »Vergessen Sie's.«
    Weiter sagte er nichts, er wollte, dass Guttadauro redete. Und er war ganz Ohr.
    »Er hat nach Ihnen gefragt. Ob es Ihnen gesundheitlich gut gehe.« Ein leichter Schauer lief dem Commissario an der Wirbelsäule entlang. Wenn sich Don Balduccio nach dem Gesundheitszustand einer Person erkundigte, begab sich diese Person in neunzig Prozent der Fälle ein paar Tage später zum Friedhof auf dem Hügel von Vigàta. Doch auch diesmal sagte er kein Wort, um Guttadauro zum Sprechen zu ermuntern. Schmor du nur, du Mistkerl. »Es geht darum, dass er Sie dringend zu sehen wünscht«, sagte der Avvocato schnell und kam damit endlich zur Sache.
    »Kein Problem«, sagte Montalbano, Haltung bewahrend wie ein Engländer.
    »Danke, Commissario, danke! Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich mich über Ihre Antwort freue! Ich war sicher, dass Sie dem Wunsch eines alten Mannes entsprechen würden, der trotz allem, was über ihn geredet wird -«
    »Kommt er ins Kommissariat?«
    »Wer?«
    »Wie, wer? Signor Sinagra. Sagten Sie nicht gerade, er wolle mich sehen?«
    Guttadauro machte verlegen zweimal hm hm. »Dottore, das Problem ist, dass Don Balduccio größte Schwierigkeiten mit dem Gehen hat, seine Beine tragen ihn nicht. Es würde ihm äußerst schwer fallen, ins Kommissariat zu kommen, Sie müssen verstehen -«
    »Ich kann gut verstehen, dass es ihm schwer fällt, ins Kommissariat zu kommen.«
    Der Avvocato zog es vor, die Ironie nicht zu bemerken. Er schwieg.
    »Wo können wir uns dann treffen?«, fragte der Commissario.
    »Tja, Don Balduccio meinte, dass … also, ob Sie ihm die Liebenswürdigkeit erweisen könnten, zu ihm zu kommen -«
    »Nichts dagegen. Natürlich muss ich vorher meine Vorgesetzten darüber informieren.«
    Natürlich hatte er keinerlei Absicht, mit diesem Blödmann Bonetti-Alderighi zu sprechen. Aber er wollte sich mit Guttadauro ein bisschen amüsieren.
    »Muss das denn sein?«, fragte der Avvocato mit Jammerstimme.
    »Na ja, ich denke schon.«
    »Nun, wissen Sie, Commissario, Don Balduccio dachte eher an eine vertrauliche, sehr vertrauliche Unterredung, möglicherweise Vorbote wichtiger Entwicklungen -«
    »Vorbote sagen Sie?«
    »Oh ja.«
    Montalbano seufzte geräuschvoll, resigniert, wie ein zum Ausverkauf gezwungener Verkäufer. »In diesem Fall -«
    »Ginge es morgen gegen achtzehn Uhr dreißig?«, fragte der Avvocato rasch, als fürchte er, der Commissario könne es bereuen.
    »In Ordnung.«
    »Danke, noch mal vielen Dank! Weder Don Balduccio noch ich haben an Ihrer Noblesse gezweifelt, an Ihrer -«
     

Fünf
    Kaum war er aus dem Auto gestiegen, es war halb neun Uhr morgens, da hörte er schon auf der Straße einen Riesenlärm, der aus dem Kommissariat kam. Er ging hinein. Die ersten zehn Vorgeladenen, fünf Ehemänner mit ihren Frauen, waren viel zu früh erschienen und benahmen sich wie Kinder im Kindergarten. Sie lachten, scherzten, stießen sich an und umarmten einander. Montalbano kam gleich der Gedanke, man sollte vielleicht die Einrichtung kommunaler Altersgärten erwägen. Catarella, der auf Fazios Anweisung hin für Ordnung sorgen sollte, kam auf die unglückselige Idee, »Der Dottori Commissario ist persönlich selber angekommen!« zu schreien. Ehe man sich's versah, verwandelte sich dieser

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