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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ging er zurück und musste sich damit abfinden, dass aus dem Pullover eine unförmige, nasse Wollmasse geworden war. Kaum war er im Haus, klingelte das Telefon. »Ciao, Liebling. Wie geht's? Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute nicht zu Hause bin. Ich gehe mit einer Freundin an den Strand.«
    »Musst du nicht ins Büro?«
    »Bei uns ist Feiertag, der Tag des Stadtheiligen.«
    »Ist das Wetter schön bei euch?«
    »Herrlich.«
    »Na dann, viel Spaß. Bis heute Abend.« Das hatte gerade noch gefehlt, der Tag fing ja gut an. Er zit­terte vor Kälte, und Livia lag genüsslich in der Sonne! Ein weiterer Beweis dafür, dass die Welt aus den Fugen gera­ ten war. Im Norden verging man jetzt vor Hitze, und im Süden machten sich Frost, Bären und Pinguine breit. Als er gerade mit angehaltenem Atem erneut den Schrank öffnen wollte, klingelte das Telefon wieder. Er zögerte kurz, dann nahm er heim Gedanken an die Übelkeit, die ihm der Gestank der Mottenkugeln beschert hätte, den Hörer ab. »Pronto?«
    »Ah Dottori Dottori!« keuchte Catarellas Stimme gequält.
    »Sind Sie das persönlich selber?«
    »Nein.«
    »Wer ist denn dran?«
    »Arturo, der Zwillingsbruder des Commissario.« Warum benahm er sich dem armen Kerl gegenüber so idio­tisch? Wollte er etwa seine schlechte Laune an ihm aus­lassen?
    »Echt?«, fragte Catarella bewundernd. »Entschuldigen Sie, Herr Zwilling Arturo, aber wenn der Dottori irgendwie im Haus ist, sagen Sie ihm dann, dass ich ihn sprechen muss?« Montalbano ließ ein paar Sekunden verstreichen. Viel­leicht konnte er die Geschichte, die ihm spontan eingefal­len war, bei Gelegenheit noch brauchen. Er schrieb »mein Zwillingsbruder heißt Arturo« auf einen Zettel und mel­dete sich wieder. »Ja, was gibt's?«
    »Ah Dottori Dottori! Da geht's drunter und drüber! Wis­sen Sie, wo dem Ragionieri Gargano sein Büro war?«
    »Meinst du Gargano, diesen Buchhalter?«
    »Ja. Warum, was hab ich denn gesagt? Gargano hab ich ge­sagt.«
    »Schon gut, ich weiß, wo das ist. Und?«
    »Weil da ist einer rein, der ist bewaffnet. Fazio hat's zu­fällig gesehen, weil er zufällig da vorbeigegangen ist. Ich glaub, der will die Sekretärin erschießen. Er sagt, dass er das Geld zurückhaben will, was Gargano ihm geklaut hat, sonst bringt er die Frau um.«
    Montalbano warf den Pullover auf den Boden, kickte ihn unter den Tisch, öffnete die Haustür. Bis der Commissa­rio im Auto saß, hatte ihm der Nordwind fast die Besin­nung geraubt.
    Der Buchhalter Emanuele Gargano, vierzig Jahre alt, groß, elegant, gut aussehend wie der Held in einem amerikani­schen Film und stets im richtigen Maß sonnengebräunt, litt an jener Sorte beruflicher Kurzlebigkeit, die man von aufstrebenden Managern kennt, kurzlebig insofern, als sie mit fünfzig schon so verschlissen sind, dass sie abgewi­ckelt gehören, nur um eines ihrer Lieblingswörter zu be­nutzen. Ragioniere Gargano war, nach eigenen Worten, in Sizilien geboren, hatte aber lange in Mailand gearbeitet, wo er bald und ebenfalls nach eigenen Worten als eine Art Ma­gier der Finanzspekulation galt. Als er dann fand, er habe sich den erforderlichen Ruf erworben, beschloss er, sich in Bologna selbständig zu machen, wo er - wir sind immer noch bei seinen eigenen Worten - Dutzende und Aberdut­zende von Anlegern glücklich machte. Vor gut zwei Jahren war er in Vigàta aufgetaucht, um, wie er sagte, »das öko­nomische Erwachen dieser unserer geliebten und leidge­prüften Insel« in die Wege zu leiten, und hatte innerhalb weniger Tage in vier Städten der Provinz Montelusa Agen­turen eröffnet. Er war gewiss nicht auf den Mund gefallen und auch ausgesprochen begabt, mit seinem vertrauen­erweckenden breiten Lächeln jeden zu überzeugen, der ihm über den Weg lief. Eine Woche brachte er damit zu, in einem auf Hochglanz polierten Luxusschlitten, einer Art Köder, von Dorf zu Dorf zu brausen; danach hatte er an die hundert Kunden gewonnen - Durchschnittsalter gute sechzig -, die ihm ihre Ersparnisse anvertrauten. Nach Ab­lauf von sechs Monaten wurden die Pensionäre einbestellt und erhielten, wobei sie fast der Schlag traf, zwanzig Pro­zent Rendite. Dann lud der Ragioniere alle Kunden aus der Provinz nach Vigàta zu einem großen Mittagessen, an des­sen Ende er durchblicken ließ, dass die Rendite im fol­genden Halbjahr vielleicht noch höher sein werde, wenn auch nicht viel. Das sprach sich herum, und die Leute stan­den Schlange vor den Schaltern der örtlichen

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