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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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nichts zu tun gehabt hatten, denn wer sein Geld ver­loren hatte, dem war das Lachen vergangen. Tags zuvor hatte Montalbano von Gallo erfahren, dass Signorina Cosentino auf der Bank gewesen war, um aus eigener Tasche die Miete fürs Büro zu zahlen. Warum also war der Kerl, der sie jetzt mit dem Revolver bedrohte, so sauer auf die Ärmste, obwohl sie mit der ganzen Geschichte gar nichts zu tun hatte? Und warum war der Gläubiger so spät auf diese tolle Idee gekommen - dreißig Tage nach dem Verschwinden, als alle anderen Opfer des Ragioniere Gargano sich mit ihrem Schicksal bereits abgefunden hatten? Montalbano, Anhän­ger der ersten Theorie, derzufolge der Ragioniere die Leute übers Ohr gehauen und sich dann abgesetzt hatte, empfand Mitleid mit Mariastella Cosentino. Jedes Mal, wenn er zu­fällig an der Agentur vorbeiging und sie aufrecht hinter der Trennscheibe am Schalter sitzen sah, bekam er Herzbeklem­mungen, die er den ganzen Tag nicht mehr loswurde.
    Vor dem Büro der »König Midas« waren an die dreißig Personen, die aufgeregt redeten, wild gestikulierten und von drei Polizisten auf Distanz gehalten wurden. Man er­kannte den Commissario und umringte ihn. »E veru che c'è unu armatu, ist da drin wirklich einer mit einer Waffe?«
    » Cu è, cu è, wer denn?«
    Laut rufend bahnte Montalbano sich mit Ellenbogen einen Weg und erreichte schließlich die Schwelle der Eingangs­tür. Hier blieb er, ziemlich erstaunt, stehen. Drinnen waren, er erkannte sie von hinten, Mimi Augello, Fazio und Galluzzo, und es sah aus, als tanzten sie ein seltsames Ballett: Mal neigten sie den Oberkörper nach rechts, mal neigten sie ihn nach links, mal machten sie einen Schritt nach vorn, mal einen nach hinten. Geräuschlos öffnete er die gläserne Innentür und besah sich die Szene genauer. Das Büro bestand aus einem einzigen großen Raum, zwei­geteilt durch einen Tresen aus Holz, auf dem sich eine breite Glasscheibe mit dem Schalter befand. Jenseits der Trennwand standen vier unbesetzte Schreibtische. Maria­stella Cosentino saß an ihrem gewohnten Platz hinter dem Schalter, sehr blass, aber gefasst und aufrecht. Die beiden Zonen des Büros waren durch eine schmale Holztür in der Trennwand miteinander verbunden.
    Der Angreifer oder was er auch war, Montalbano wusste nicht, wie er ihn bezeichnen sollte, stand genau in dieser Tür, damit er die Sekretärin und die drei von der Polizei gleichzeitig im Visier hatte. Es war ein achtzigjähriger Mann, den der Commissario gleich erkannte, ein Vermes­sungsingenieur, der geachtete Geometra Salvatore Garzullo. Teils wegen der nervlichen Belastung, teils aufgrund des ziemlich weit fortgeschrittenen Parkinson zitterte der Revolver, der ganz offensichtlich aus den Zeiten Buffalo Bills und der Sioux stammte, heftig in der Hand des Ge­ ometra; deshalb wichen, wenn Garzullo auf einen der Polizisten zielte, alle aus, weil sie nicht wussten, wohin ein eventueller Schuss gehen würde.
    »Ich will das Geld zurück, das mir dieser Dreckskerl ge­stohlen hat. Sonst erschieß ich die Sekretärin!« Seit über einer Stunde schrie der Geometra den gleichen Satz, kein Wort mehr, kein Wort weniger, immer den glei­chen Satz, und jetzt war er erschöpft und heiser, und seine Stimme klang, als ob er gurgelte.
    Entschlossen trat Montalbano drei Schritte vor, ging an seinen Leuten vorbei und streckte, von einem Ohr zum anderen grinsend, dem Alten die Hand hin.
    »Mein lieber Geometra! Das freut mich aber! Wie geht es Ihnen?«
    »Ganz gut, danke«, sagte der Geometra verdutzt.
    Aber er fing sich gleich wieder, als er sah, dass Montalbano noch einen Schritt auf ihn zugehen wollte.
    »Bleiben Sie stehen, oder ich schieße!«
    »Commissario, um Himmels willen, setzen Sie Ihr Leben nicht aufs Spiel«, schaltete Signorina Cosentino sich mit fester Stimme ein. »Wenn sich hier jemand für Ragioniere Gargano opfern muss, dann ich, ich bin bereit!«
    Anstatt über den melodramatischen Einsatz zu lachen, fühlte Montalbano, wie ihn die Wut packte. Hätte er den Ragioniere in diesem Augenblick vor sich gehabt, er hätte ihm die Visage zermatscht.
    »Das ist doch dummes Zeug! Hier opfert sich überhaupt niemand!«
    Er wandte sich an den Geometra und begann mit seiner Improvisation.
    »Sagen Sie, Signor Garzullo, wo waren Sie denn gestern Abend?«
    »Das geht Sie einen Scheißdreck an«, gab der Alte kämpfe­risch zurück.
    »Antworten Sie, in Ihrem eigenen Interesse.«
    Der Geometra kniff die Lippen zusammen,

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