Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
und reg dich ab. Hast du dich halbwegs beruhigt? Ja? Dann tu jetzt, was du vorhattest. Erledige den Anruf und vergiss Livia.
»Hallo? Dottor Carlo Mistretta? Hier spricht Commissario Montalbano.«
»Gibt es was Neues?«
»Nein, tut mir Leid. Ich würde gern mal mit Ihnen reden, Dottore.«
»Heute Vormittag habe ich sehr viel zu tun. Am Nachmittag auch. Ich vernachlässige meine Patienten schon. Ginge es am Abend? Ja? Gut, dann könnten wir uns bei meinem Bruder …«
»Entschuldigen Sie, Dottore, aber ich würde gern allein mit Ihnen sprechen.«
»Soll ich ins Kommissariat kommen?«
»Sie brauchen sich nicht zu bemühen.«
»Gut, dann kommen Sie gegen zwanzig Uhr zu mir. Einverstanden? Ich wohne in der Via … Ach, das ist so kompliziert zu erklären. Ich würde vorschlagen, wir treffen uns an der ersten Tankstelle an der Straße nach Fela, kurz hinter Vigàta. Um zwanzig Uhr.«
Das Telefon klingelte wieder.
»Dottori? Da wär eine Frau dran, die will mit Ihnen persönlich selber reden. Sie sagt, dass sie Ihnen was ganz was Persönliches sagen muss.«
»Hat sie auch gesagt, wie sie heißt?«
»Piripipò, glaub ich, Dottori.«
Das konnte nicht sein. Er wollte so gern wissen, wie die Frau wirklich hieß, dass er das Gespräch annahm.
»Dutturi, sind Sie da dran? Hier ist Cirrinciò Adelina.«
Seine Haushälterin! Seit Livia da war, hatte er sie nicht mehr gesehen. Was mochte passiert sein? Oder wollte sie ihm etwa auch drohen: Wenn du das Mädchen nicht innerhalb von zwei Tagen befreist, koch ich dir nie mehr was.
Die Aussicht war schrecklich. Zumal einer ihrer Lieblingssprüche lautete: »Telegramm und Telefon – Unglück hat man nur davon.« Wenn Adelina einen Telefonhörer in die Hand genommen hatte, dann wollte sie ihm etwas wirklich Ernstes mitteilen.
»Was ist denn los, Adelì?«
»Dutturi, ich wollte Ihnen die freudige Mitteilung machen, dass Pippina ihr Kind gekriegt hat.«
Und wer war Pippina? Und warum erzählte Adelina ausgerechnet ihm, dass sie entbunden hatte? Adelina half dem Commissario auf die Sprünge.
»Dutturi, wissen Sie das nicht mehr? Pippina ist die Frau von meinem Sohn Pasquali.«
Adelina hatte zwei kriminelle Söhne, die im Knast aus und ein gingen. Und er war auf der Hochzeit von Pasquale gewesen, dem jüngeren Sohn. War das schon länger als neun Monate her? Du liebe Güte, wie die Zeit verging! Es war schon traurig, dass das Alter immer näher rückte und ihm dadurch solche Banalitäten und Klischees wie gerade eben in den Sinn kamen. Der Ärger darüber, dass er so etwas Banales gedacht hatte, machte immerhin die Rührung wett.
»Junge oder Mädchen?«
»Ein Junge, Dutturi.«
»Meinen Glückwunsch und alles Gute.«
»Warten Sie, Dutturi. Pasquali und Pippina wollen Sie zum Patenonkel haben.«
Tja, er hatte an der Hochzeit teilgenommen, und der Vollständigkeit halber wollten sie, dass er Taufpate des Neugeborenen wurde.
»Und wann ist die Taufe?«
»In zehn Tagen.«
»Adelì, gib mir zwei Tage Bedenkzeit, ja?«
»Ist gut. Wann ist die Signorina Livia denn wieder weg?«
Livia saß bereits am Tisch, als er die Trattoria betrat, in der er immer aß. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, kaum dass er sich hingesetzt hatte, sprach Bände, er konnte sich auf etwas gefasst machen.
»Wie weit seid ihr?«, fing sie an.
»Livia, darüber haben wir doch erst vor einer Stunde gesprochen!«
»Na und? In einer Stunde kann viel geschehen.«
»Findest du, das ist der richtige Ort für dieses Thema?«
»Ja. Denn zu Hause erzählst du mir nichts von deiner Arbeit. Oder möchten Sie, dass ich ins Kommissariat komme, Dottore?«
»Livia, wir tun wirklich, was wir können. In diesem Augenblick sucht ein Großteil meiner Leute, einschließlich Mimì, zusammen mit den Kollegen aus Montelusa minutiös das Umland ab …«
»Und wie kommt es, dass du gemütlich mit mir in der Trattoria sitzt, während deine Leute die Gegend durchkämmen?«
»Der Questore wollte es so.«
»Der Questore wollte, dass du beim Essen sitzt, während deine Leute arbeiten und das Mädchen die schlimmsten Ängste aussteht?«
Meine Güte, was für ein Theater!
»Livia, du brauchst dich nicht über mich lustig zu machen!«, sagte er in breitestem Sizilianisch.
»Du versteckst dich hinter deinem Dialekt, was?«
»Als Agent provocateur wärst du unübertrefflich. Der Questore hat die Aufgaben verteilt. Ich arbeite mit Minutolo zusammen, der die Ermittlungen leitet, während Mimì Augello gemeinsam mit
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