Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
ist.
Wahrscheinlich ist er ausgerutscht und …«
»Dottore, es ist meinetwegen.«
»Was hast du denn?«
»Ich hab irgendwas Falsches gegessen … Mein Magen spinnt … Ich muss dauernd aufs Klo.«
»Dann kneifst du eben die Arschbacken zusammen.«
Gallo ging brummelnd hinaus und kam nach wenigen Minuten wieder.
»Dottor Augello und seine Mannschaft sind in der Contrada Cancello, an der Straße nach Gallotta. Eine Dreiviertelstunde von hier.«
»Dann los. Wir nehmen einen Streifenwagen.«
Sie waren seit gut einer halben Stunde unterwegs, als Gallo sich zu Montalbano wandte und sagte:
»Dottore, ich halt’s nicht mehr aus.«
»Wie weit ist es noch bis zur Contrada Cancello?«
»Knapp drei Kilometer, aber ich …«
»Gut, dann halt bei der nächsten Möglichkeit an.«
Rechts ging bei einem Baum ein schmaler Feldweg ab; an den Baum war ein Brett genagelt, auf dem mit roter Farbe »Frische Eier« geschrieben stand. Das Land ringsum lag brach, von Unkraut überwuchert.
Gallo bog in den Weg ein, blieb nach wenigen Metern stehen, stieg hastig aus und verschwand hinter einem Bocksdornstrauch. Montalbano stieg ebenfalls aus und steckte sich eine Zigarette an. Etwa dreißig Meter weiter stand ein weißer Würfel, ein winziges Bauernhaus mit einem kleinen Vorplatz. Dort gab es wohl die Eier. Er stellte sich an den Wegesrand und öffnete seinen Reißverschluss.
Der verklemmte sich im Hemd und ging nicht weiter auf. Montalbano senkte den Kopf, um nachzusehen, was nicht funktionierte, und bei dieser Bewegung sah er etwas aufblitzen. Als er fertig war, klemmte der Reißverschluss wieder, und die Sache wiederholte sich: Der Commissario senkte den Kopf, und wieder sah er etwas aufblitzen.
Er ging dem Lichtreflex nach. Halb verborgen lag etwas Rundes unter einem Busch. Er wusste sofort, worum es sich handelte, und erreichte mit wenigen Schritten den Busch. Es war ein Motorradhelm. Ein kleiner Helm, für den Kopf einer Frau. Er konnte erst ein paar Tage dort liegen, weil er kaum staubig war. Neu und ohne jede Delle.
Montalbano nahm ein Taschentuch, umwickelte seine rechte Hand einschließlich Finger, hockte sich hin und drehte den Helm um. Er legte sich auf den Bauch, damit er die Innenseite aus nächster Nähe betrachten konnte. Sie war sauber, ohne Blutflecken. Zwei oder drei lange blonde Haare waren an der schwarzen Polsterung deutlich zu sehen. Er war so sicher, dass der Helm Susanna gehörte, als stünde ihr Name darin.
»Dottore, wo sind Sie?«
Das war Gallo. Er legte den Helm so hin, wie er ihn gefunden hatte, und rappelte sich auf.
»Komm mal her.«
Gallo trat neugierig näher. Montalbano zeigte auf den Helm.
»Ich glaube, der gehört Susanna.«
»Da haben wir aber Schwein gehabt!«, stellte Gallo fest.
»Dank sei deinem Dünnpfiff.«
»Aber wenn hier der Helm ist, muss Susanna ganz in der Nähe sein! Soll ich Verstärkung rufen?«
»Genau das wollen sie dir weismachen, deshalb haben sie den Helm hier hingeworfen. Sie wollten eine falsche Fährte legen.«
»Was machen wir jetzt?«
»Setz dich mit Augellos Leuten in Verbindung, sie sollen sofort einen Beamten zur Bewachung schicken. Bis der kommt, rührst du dich nicht von der Stelle, sonst nimmt noch irgendjemand den Helm mit. Und stell das Auto auf die Seite, so kommt ja keiner durch.«
»Wer soll denn hier schon kommen?«
Montalbano antwortete nicht und ging los.
»Wo gehen Sie denn hin?«
»Ich schau mal nach, ob die wirklich frische Eier verkaufen.«
Auf dem Weg zum Haus hörte er immer lauteres Gegacker, aber Hühner waren nirgends zu sehen, der Stall musste hinter dem Haus liegen. Als er den Vorplatz erreichte, trat eine junge Frau durch die offene Tür. Sie war um die dreißig, hoch gewachsen, mit schwarzem Haar, aber heller Haut, eine schlanke Erscheinung, mit einer gewissen Eleganz gekleidet, dazu hochhackige Schuhe. Zuerst dachte Montalbano, sie hätte Eier gekauft. Doch die Frau lächelte und fragte:
»Warum haben Sie Ihr Auto so weit weg abgestellt? Sie können hier vor dem Haus parken.«
Montalbano machte eine unbestimmte Handbewegung.
»Bitte kommen Sie herein«, sagte die Frau und ging voraus.
Das kleine Haus war durch eine Trennwand in zwei Zimmer geteilt. In der Mitte des ersten Raums, offenbar die Küche, standen auf einem Tisch vier Körbchen mit frischen Eiern. Außerdem gab es mehrere Holzstühle, eine Kredenz, auf der ein Telefon stand, einen Kühlschrank und in einer Ecke einen Gasherd. Vor einer anderen Ecke hing
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