Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
würde er eine Fliege verscheuchen.
Während Luna sich auf dem Sofa niederließ, bedeutete Minutolo dem Commissario mit einem Blick, er solle bitte nicht anfangen, einen auf witzig zu machen.
»Nun, spreche ich oder fragen Sie?«
»Sprechen Sie«, sagte Minutolo.
»Darf ich mir Notizen machen?«, fragte Montalbano und fasste sich in die Jackentasche, die völlig leer war.
»Nein, wozu denn?«, fragte Luna entgeistert. Minutolo flehte Montalbano mit Blicken an, nicht länger zu nerven.
»Schon gut, schon gut«, meinte Montalbano versöhnlich.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Luna, der aus dem Konzept gekommen war.
»Wir hatten noch gar nicht losgelegt«, sagte Montalbano.
Luna musste spüren, dass er verarscht wurde, aber er ließ sich nichts anmerken. Montalbano begriff, dass der Anwalt verstanden hatte, und beschloss, keine Scherze mehr zu machen.
»Ah ja. Mein Mandant hat am Tag nach der Entführung seiner Nichte um zehn Uhr morgens einen anonymen Anruf erhalten.«
»Wann bitte?!«, fragten Minutolo und Montalbano wie aus einem Munde.
»Um zehn Uhr am Tag nach der Entführung.«
»Also knapp vierzehn Stunden später?«, fragte Minutolo, der es immer noch nicht glauben konnte.
»Exakt«, fuhr Luna fort. »Eine Männerstimme erklärte, den Entführern sei bekannt, dass die Mistrettas das Lösegeld nicht aufbringen könnten, und man halte ihn für die einzige Person, die ihre Forderungen erfüllen könne. Sie würden sich um drei Uhr nachmittags wieder melden. Mein Mandant …«
Wenn er »mein Mandant« sagte, machte er immer ein Gesicht wie eine Krankenschwester, die am Bett eines Sterbenden wacht und ihm den Schweiß von der Stirn wischt.
»… suchte mich unverzüglich auf. Wir kamen schnell zu dem Schluss, dass mein Mandant geschickt hereingelegt worden war. Und dass die Entführer alle Fäden in der Hand hatten, um ihn in die Sache hineinzuziehen. Wenn er sich der Verantwortung entzogen hätte, wäre das ein schwerer Schlag für sein Image gewesen, das übrigens in der Vergangenheit bereits unter einigen unschönen Vorkommnissen gelitten hat. Seine politischen Ambitionen wären zum Scheitern verurteilt gewesen. Was, wie ich fürchte, bereits geschehen ist. Eigentlich wollte er sich vor den nächsten Parlamentswahlen in einer Hochburg seiner Partei aufstellen lassen.«
»Welche das ist, brauche ich Sie ja wohl nicht zu fragen«, sagte Montalbano und sah auf das Foto des Ministerpräsidenten im Jogginganzug.
»In der Tat«, sagte der Avvocato barsch. Und fuhr fort:
»Ich habe ihm einige Ratschläge gegeben. Um drei Uhr rief der Entführer wieder an. Auf eine bestimmte, von mir vorgeschlagene Frage antwortete er, der Beweis, dass die junge Frau am Leben sei, werde öffentlich geliefert, in ›Televigàta‹. Was dann auch pünktlich geschah. Sie forderten sechs Milliarden Lire. Sie verlangten von meinem Mandanten, ein neues Handy zu kaufen, unverzüglich nach Palermo zu fahren und außer mit den Banken mit niemandem zu sprechen. Eine Stunde später riefen sie wieder an, um sich die Handynummer geben zu lassen. Mein Mandant hatte keine andere Wahl, als ihre Anweisungen zu befolgen, und beschaffte in Rekordzeit die sechs Milliarden. Am nächsten Abend wurde er wieder angerufen, und er sagte, er sei bereit zu zahlen. Aber wie ich im Fernsehen bereits sagte, hat er bisher unerklärlicherweise keine Anweisungen erhalten.«
»Warum hat Peruzzo Sie nicht beauftragt, die Erklärung von heute Abend schon früher abzugeben?«
»Weil die Entführer Peruzzo gewarnt hatten. Er durfte weder Interviews geben noch sonst etwas sagen und musste selbst für ein paar Tage verschwinden.«
»Und jetzt wurde die Warnung aufgehoben?«
»Nein. Mein Mandant handelt aus eigenem Entschluss und geht damit ein hohes Risiko ein … Aber er kann nicht mehr – vor allem nach dem feigen Überfall auf seine Frau und den in Brand gesteckten Lastwagen.«
»Wissen Sie, wo Peruzzo sich jetzt aufhält?«
»Nein.«
»Kennen Sie seine neue Handynummer?«
»Nein.«
»Wie halten Sie miteinander Verbindung?«
»Er ruft mich an. Aus öffentlichen Telefonzellen.«
»Hat Peruzzo eine E-Mail-Adresse?«
»Ja, aber er hat seinen PC zu Hause gelassen. So lautete die Anweisung, und er hat sie befolgt.«
»Eine Beschlagnahme seines Vermögens würde also gar nichts nützen, weil Peruzzo die verlangte Summe schon bei sich hat?«
»Genau.«
»Glauben Sie, Peruzzo ruft Sie an, sobald er weiß, wie und wo das Lösegeld
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