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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Stunden Licht in die Geschichte bringen und einen bedeutenden Beitrag zur glücklichen Lösung des dramatischen und schwierigen Falls leisten kann.«
    Schnitt. Ein typisches Advokatenbüro kam ins Bild. Schwarze Holzregale voller ungelesener Bücher und Gesetzessammlungen aus dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert, aber sicher noch gültig, wo doch in unserem Land kein Gesetz der letzten hundert Jahre über Bord geworfen wird, alles wird verwertet, wie beim Schwein.
    Anwalt Luna machte seinem Namen – Mond – alle Ehre: Vollmondgesicht, fette Vollmondstatur. Das hatte den Lichtausstatter offensichtlich dazu inspiriert, alles in Vollmondlicht zu tauchen. Der Anwalt quoll aus einem Sessel hervor. Er hielt ein Blatt Papier in den Händen, auf das er, während er redete, hin und wieder einen Blick warf.
    »Ich spreche im Namen meines Mandanten Antonio Peruzzo. Signor Peruzzo sieht sich gezwungen, sein gebotenes Schweigen zu brechen, um die zunehmenden Attacken von Lügen und Gemeinheiten gegen seine Person einzudämmen. Signor Peruzzo lässt mitteilen, dass er sich in Kenntnis der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie Mistretta den Tätern bereits am Tag nach der Entführung seiner Nichte zur Verfügung gestellt hat. Leider reagierten die Entführer unerklärlicherweise nicht ebenso schnell auf das Angebot von Signor Peruzzo. So kann Signor Peruzzo nur noch einmal ausdrücklich betonen, dass er sich seinem Gewissen verpflichtet fühlt und es selbstverständlich bei seinem Angebot an die Entführer bleibt.«
    Die gesamte Kundschaft in der Bar brüllte vor Lachen, so dass man die folgende Meldung nicht hören konnte.
    »Wenn Peruzzo sich seinem Gewissen verpflichtet fühlt, sieht es für das Mädchen schlecht aus!«, rief einer und brachte damit auf den Punkt, was alle dachten.
    Mittlerweile war es nämlich so: Wenn Peruzzo sich entschloss, das Lösegeld vor laufender Fernsehkamera zu zahlen, würde jeder denken, dass es sich um Falschgeld handelte.
    Montalbano kehrte ins Büro zurück und rief Minutolo an.
    »Gerade hat der Staatsanwalt angerufen, er hat die Erklärung des Anwalts auch gehört. Ich soll sofort zu Luna gehen und mir die Sache näher erläutern lassen. Ein gewissermaßen inoffizieller, höflicher Besuch. Jedenfalls ist Luna mit Samthandschuhen anzufassen. Ich habe ihn angerufen, er kennt mich und ist zu einem Gespräch bereit. Kennst du ihn auch?«
    »Vom Sehen.«
    »Kommst du mit?«
    »Klar. Gib mir die Adresse.«
    Minutolo erwartete ihn vor dem Haus; er war wie Montalbano mit seinem Privatwagen gekommen. Eine Vorsichtsmaßnahme, denn so mancher von Lunas Mandanten fiel womöglich in Ohnmacht, wenn ein Auto mit der Aufschrift »Polizei« vor der Tür stand. Das Haus war mit schweren, kostbaren Möbeln eingerichtet. Ein Dienstmädchen führte sie in das Arbeitszimmer, das auch in den Nachrichten zu sehen gewesen war. Das Mädchen bat die beiden, sich zu setzen.
    »Avvocato Luna kommt sofort.«
    Minutolo und Montalbano setzten sich in die Sofaecke des Raums. Eigentlich versanken sie förmlich in den gigantischen Sesseln, Maßanfertigungen für Elefanten und den Anwalt. Die Wand hinter dem Schreibtisch war mit unterschiedlich großen, säuberlich gerahmten Fotos tapeziert. Die mindestens fünfzig Bilder wirkten wie Votivtafeln zur Erinnerung und zum Dank an einen Wunder wirkenden Heiligen. Bei der Beleuchtung im Zimmer war nicht auszumachen, wer die abgebildeten Leute waren. Vielleicht stammten die Fotos von Mandanten, die durch die Mischung aus Beredsamkeit, Schläue, Bestechung und richtigem Fahrwasser, die Luna verkörperte, vor den heimischen Gefängnissen bewahrt worden waren. Der Hausherr ließ immer noch auf sich warten, und der Commissario konnte nicht widerstehen. Er stand auf und sah sich die Fotos aus der Nähe an. Lauter Politiker, Senatoren, Abgeordnete, Minister, Staatssekretäre oder Exstaatssekretäre. Alle Fotos mit Unterschrift und Widmung, die zwischen »lieber« und »liebster« variierte. Montalbano setzte sich wieder, jetzt wusste er, warum der Questore zur Vorsicht gemahnt hatte.
    »Meine lieben Freunde!«, rief der Avvocato, als er eintrat. »Bleiben Sie doch bitte sitzen! Darf ich Ihnen etwas anbieten? Ich habe alles, was das Herz begehrt.«
    »Nein, danke«, sagte Minutolo.
    »Ja, bitte einen Daiquiri«, sagte Montalbano.
    Luna sah ihn verdutzt an.
    »Schade, ausgerechnet …«
    »Macht nichts«, sagte Montalbano gönnerhaft und machte eine Handbewegung, als

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