Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
drängte sich einem der Gedanke auf, dass Peruzzo Susannas Freilassung verzögerte, indem er, wie der Monsignore unterstellte, die Sache möglicherweise in die Länge zog, um einen schäbigen Nachlass auf die Geldsumme herauszuschlagen. Konnte er bei einem solchen Benehmen auch einen kleinen Nachlass erwarten, wenn er eines Tages vor Gottes Angesicht trat? Kurz und gut, Peruzzo zog, wenn Susanna erst frei war, am besten ganz weit weg.
Von wegen, dass er sich nur seine politischen Ambitionen an den Hut stecken konnte. Er konnte Montelusa, Vigàta und die ganze Gegend vergessen.
Diesmal weckte ihn das Klicken um drei Uhr siebenundzwanzig und vierzig Sekunden. Er stellte fest, dass sein Kopf klar war und wie am Schnürchen funktionierte, und nutzte das aus, um die ganze Entführungsgeschichte seit Catarellas Anruf noch mal durchzugehen. Um halb sechs hörte er auf nachzudenken, weil er plötzlich todmüde war.
Er war schon fast eingeschlafen, als das Telefon klingelte; Livia hörte es gottlob nicht. Die Uhr zeigte fünf Uhr siebenundvierzig. Es war Fazio, in heller Aufregung.
»Susanna ist frei!«
»Ach ja? Wie geht es ihr?«
»Gut.«
»Bis später«, sagte Montalbano.
Er legte sich wieder ins Bett.
Livia erzählte er es, sobald sie sich rührte und Anstalten machte aufzuwachen. Sie sprang auf, als hätte sie eine Spinne im Bett gefunden.
»Seit wann weißt du es?«
»Fazio hat angerufen. Da war es kurz vor sechs.«
»Warum hast du es mir nicht gleich gesagt?«
»Hätte ich dich wecken sollen?«
»Ja. Du weißt doch, was für Sorgen ich mir wegen dieser Geschichte gemacht habe. Du hast mich absichtlich schlafen lassen!«
»Wenn du meinst … Ich bekenne mich schuldig und wir reden nicht mehr darüber. Jetzt beruhig dich wieder.«
Aber Livia war streitlustig. Entrüstet sah sie ihn an.
»Wie kannst du im Bett bleiben, statt gleich zu Minutolo zu gehen, um mehr zu erfahren …«
»Worüber denn? Mach die Glotze an, wenn du was wissen willst.«
»Deine Gleichgültigkeit treibt mich manchmal zur Weißglut!«
Sie stand auf und schaltete den Fernseher ein. Doch Montalbano verzog sich ins Bad und ließ sich Zeit. Natürlich um ihn zu ärgern, drehte Livia den Ton voll auf: Beim Kaffeetrinken in der Küche vernahm er erregte Stimmen, Sirenengeheul, quietschende Bremsen. Als das Telefon klingelte, hörte er es fast nicht. Montalbano ging ins Esszimmer: Alles vibrierte bei dem höllischen Krach des Fernsehers.
»Livia, stell bitte mal leiser!«
Murrend gehorchte Livia. Der Commissario nahm den Hörer ab.
»Montalbano? Was ist, kommst du nicht?«
Es war Minutolo.
»Was soll ich denn da?«
Minutolo schien verwundert.
»Na ja … Ich weiß nicht … Ich dachte, du freust dich …«
»Außerdem habe ich den Eindruck, ihr seid belagert.«
»Das stimmt. Vor dem Tor stehen Dutzende von Journalisten, Fotografen, Kameraleuten … Ich musste Verstärkung anfordern. Der Staatsanwalt und der Polizeipräsident kommen gleich. Ein einziges Chaos.«
»Wie geht es Susanna?«
»Sie ist ein bisschen mitgenommen, aber im Großen und Ganzen wohlauf. Ihr Onkel hat sie untersucht und festgestellt, dass sie körperlich in gutem Zustand ist.«
»Wie hat man sie behandelt?«
»Sie sagt, sie wären nie grob zu ihr gewesen. Ganz im Gegenteil.«
»Wie viele waren es?«
»Sie hat immer zwei vermummte Männer gesehen. Eindeutig Bauern.«
»Wie haben sie sie freigelassen?«
»Sie erzählt, dass sie geschlafen hat. Sie wurde geweckt, musste sich eine Mütze über den Kopf ziehen, sie haben ihr die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, sie aus dem Becken klettern lassen und gezwungen, in den Kofferraum eines Autos zu steigen. Susanna sagt, sie seien über zwei Stunden gefahren. Dann blieb das Auto stehen, sie ließen sie aussteigen, gingen eine halbe Stunde mit ihr zu Fuß, dann lockerten sie die Schnur an den Handgelenken, Susanna musste sich hinsetzen, und sie sind gegangen.«
»Und haben die ganze Zeit über kein Wort mit ihr gesprochen?«
»Nein. Susanna hat eine Weile gebraucht, um ihre Hände loszumachen und die Mütze abzunehmen. Es war mitten in der Nacht. Sie hatte keinen blassen Schimmer, wo sie war, aber sie verlor nicht den Mut. Sie konnte sich orientieren und machte sich auf den Weg nach Vigàta. Irgendwann wusste sie, dass sie in der Nähe von La Cucca war, du weißt schon, dieses Dorf …«
»Ich weiß, sprich weiter.«
»… und nur knapp drei Kilometer von zu Hause. Die ist sie gegangen, dann hat sie am
Weitere Kostenlose Bücher