Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
erklärt, so schnell dürfe man auf Autobahnen fahren), dazu gab es Traktoren, Vespas, kaputte Kleinlaster inmitten einer Flut von Rollern. Links und rechts war die Straße von blumengeschmückten Gedenksteinen gesäumt, aber nicht weil das hübsch aussah, sondern um die Stellen zu markieren, an denen Dutzende bedauernswerter Roller- oder Autofahrer ihr Leben verloren hatten. Eine fortwährende Mahnung, um die sich kein Schwein scherte.
    An der dritten Abzweigung bog er rechts ab. Die Straße war asphaltiert, aber nicht beschildert. Montalbano musste sich auf Catarellas Angaben verlassen. Die Landschaft hatte sich verändert, es ging hügelauf und hügelab, hier und da an einem Weinberg vorbei. Aber keine Spur von irgendeinem Dorf. Montalbano war noch keinem Auto begegnet. Allmählich bezweifelte er, dass er auf dem richtigen Weg war.
    Weit und breit keine Menschenseele, die er hätte fragen können. Er hatte keine Lust mehr weiterzufahren, doch gerade als er umkehren und nach Vigàta zurückkehren wollte, sah er in der Ferne ein Pferdefuhrwerk, das in seiner Richtung unterwegs war. Montalbano beschloss, den Fuhrmann zu fragen. Er setzte seinen Weg fort, und als er auf Höhe des Pferdes war, hielt er an und stieg aus.
    »Guten Tag«, sagte er zu dem Fuhrmann. Der schien den Commissario gar nicht bemerkt zu haben, denn er starrte, die Leinen in der Hand, geradeaus.
    »Tag«, erwiderte dann der Mann auf dem Wagen; er war etwa sechzig, sonnenverbrannt, mager, trug einen Anzug aus Barchent und einen absurden Borsalino, der noch aus den fünfziger Jahren stammen musste. Aber er machte keine Anstalten zu halten.
    »Ich wollte Sie was fragen«, rief Montalbano und lief neben ihm her.
    »Mich!?«, fragte der Mann überrascht und bestürzt zugleich.
    Wen denn sonst? Das Pferd?
    »Ja.«
    »Brrrrrrr!«, machte der Fuhrmann und zog die Leinen an.
    Das Tier blieb stehen.
    Der Mann sagte kein Wort. Er blickte weiter geradeaus und wartete auf die Frage.
    »Können Sie mir sagen, wie ich nach Brancato bassa komme?«
    Widerstrebend, als koste es ihn enorme Mühe, sagte der Fuhrmann:
    »Immer geradeaus. Dritte links. Wiedersehen. Hü!«
    Das Hü galt dem Pferd, das daraufhin wieder lostrottete.
    Eine halbe Stunde später sah Montalbano in der Ferne etwas auftauchen, das wie eine Brücke aussah. Im Hintergrund erhob sich ein Hügel mit ein paar weißen Katen, die leicht abgerutscht waren und sich in einem merkwürdigen Gleichgewicht hielten. Das mussten die Häuser von Brancato alta sein. Von Brancato bassa hingegen war nicht einmal ein Dach zu sehen. Aber irgendwo dort musste es ja sein. Montalbano hielt etwa zwanzig Meter vor der Brücke an, stieg aus und blickte sich um. Die Straße war wie ausgestorben, seit der Abzweigung war er nur dem Fuhrmann begegnet. Später hatte er noch einen Bauern beim Hacken gesehen. Das war’s. Sobald die Sonne unterging und es Nacht wurde, sah man auf dieser Straße überhaupt nichts mehr. Es gab keinerlei Beleuchtung, auch keine Häuser, von denen ein wenig Licht ausgegangen wäre. Wo hatten sich die Kidnapper dann versteckt, als sie beobachten wollten, ob Peruzzos Auto kam? Und vor allem: Woher konnten sie wissen, dass es Peruzzos Auto und nicht irgendein anderes war, das ausnahmsweise diese Straße entlangfuhr? An der Brücke – es war nicht ersichtlich, wozu sie diente, warum jemand auf die Idee gekommen war, sie zu bauen – gab es weder Gebüsch noch eine Mauer, wo man sich hätte verstecken können. Auch nachts bot die Stelle keinen Schutz vor den Scheinwerfern eines Autos. Tja, und jetzt?
    Ein Hund bellte. Montalbano hatte das Bedürfnis, ein lebendiges Wesen zu sehen, und hielt nach ihm Ausschau. Da entdeckte er ihn. Der Hund stand rechts am Anfang der Brücke, nur sein Kopf war zu sehen. Hatte man das Ding etwa nur gebaut, damit Hund und Katze darübergehen konnten? Warum nicht, in unserem schönen Lande war bei öffentlichen Bauaufträgen das Unmögliche möglich. Und plötzlich wusste der Commissario, dass die Kidnapper sich genau da versteckt hatten, wo der Hund stand.
    Er ging querfeldein, passierte einen Karrenweg und erreichte die Brücke, die die Form eines Eselsrückens hatte. Wer sich an ihrem Anfang hinkauerte, war von der Straße aus nicht zu sehen. Montalbano suchte aufmerksam den Boden ab, während sich der Hund knurrend verzog, aber er fand nichts, nicht mal einen Zigarettenstummel. Wie soll man heutzutage auch noch einen Zigarettenstummel finden, es traut sich ja kein Mensch

Weitere Kostenlose Bücher