Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
getan?«
»Ja.«
»Eine neugierige Frage: Wie hat er es Ihnen zurückerstattet? Per Scheck?«
»Nein, in bar.«
Verflixt, eine gute Gelegenheit zu erfahren, ob Angelo noch Konten bei anderen Banken hatte, war verloren. »Hören Sie, Commissario, ich gehe und mache den Espresso, danach ziehe ich mich um. Wenn Sie sich inzwischen frisch machen wollen…«
Sie führte ihn in ein kleines Gästebad gleich neben dem Esszimmer.
Er ließ sich Zeit, zog das Jackett und das Hemd aus und steckte den Kopf unter den Wasserhahn. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, war sie noch nicht da. Fünf Minuten später kam sie mit dem Espresso. Sie hatte schnell geduscht und sich dann so etwas wie eine halblange Jacke übergeworfen, die ihre Schenkel halb bedeckte. Das war's. Sie war barfuß. Ihre Beine, von Natur aus lang, kamen unter dieser roten Jacke hervor und schienen nie mehr aufzuhören. Sehnige, lebhafte Beine, wie die einer Tänzerin oder einer Sportlerin. Und das Schöne war, davon war Montalbano auf der Stelle überzeugt, dass es bei Elena keinerlei Hintergedanken gab, keinerlei Versuch einer Verführung. Sie fand nichts Peinliches darin, so vor einem Mann zu stehen, den sie kaum kannte. Als würde sie seine Gedanken lesen, sagte Elena:
»Ich fühle mich wohl bei Ihnen. Obwohl das ja nicht so sein dürfte.«
»Tja«, sagte der Commissario.
Auch er fühlte sich wohl. Viel zu wohl. Und das war nicht angebracht. Wieder war es Elena, die auf das Thema zurückkam.
»Nun? Was ist mit den Fragen?«
»Abgesehen von dem Auto, hat Angelo Ihnen andere Geschenke gemacht?«
»Ja, und auch die ziemlich teuer. Juwelen. Wenn Sie wollen, gehe ich sie holen und zeige sie Ihnen.«
»Das ist nicht nötig, danke. Wusste Ihr Mann das?«
»Das mit den Geschenken? Ja. Andererseits hätte ich einen Ring zwar verstecken können, aber ein Auto wie das da…«
»Wieso?«
Sie verstand auf Anhieb. Sie war von einer gefährlichen Intelligenz.
»Haben Sie Ihrer Frau denn nie Geschenke gemacht?« Montalbano ärgerte sich. Livia durfte nicht einmal irrtümlich in die schmutzigen, niederträchtigen Geschichten einbezogen werden, über die er ermittelte. »Sie übersehen ein wichtiges Detail.«
»Welches?«
»Dass diese Geschenke eine Form von Bezahlung für Ihre Dienstleistungen waren.«
Er hatte mit allen möglichen Reaktionen dieser Frau gerechnet, aber nicht damit, dass Elena jetzt anfing zu lachen.
»Vielleicht hat Angelo meine Dienstleistungen, wie Sie es nennen, überschätzt. Glauben Sie mir, ich bin kein Wunder.«
»Dann stelle ich meine Frage noch einmal: wieso?«
»Commissario, es gibt eine Erklärung, und die ist sehr einfach. Diese Geschenke hat er mir in den letzten drei Monaten gemacht, angefangen mit dem Auto. Ich glaube, voriges Mal habe ich Ihnen gesagt, dass in Angelo in der letzten Zeit etwas vor sich gegangen ist… Kurz und gut, er hatte sich in mich verliebt. Er wollte mich nicht verlieren.«
»Und Sie?«
»Ich meine, auch das hätte ich Ihnen gesagt. Je besitzergreifender er wurde, umso mehr habe ich mich von ihm entfernt. Ich ertrage es nämlich unter anderem nicht, wenn man mir Zügel anlegen will.«
Hatte es nicht einen antiken Dichter gegeben, der ein Liebesgedicht für eine thrakische Stute geschrieben hat, die es nicht ertrug, Zügel angelegt zu bekommen? Aber jetzt war nicht der Augenblick, an Dichtung zu denken. Fast widerwillig steckte der Commissario eine Hand in die Tasche, zog die drei Briefe heraus, die er mitgebracht hatte, und legte sie auf den Tisch.
Elena blickte sie an, erkannte sie, zeigte aber nicht das geringste Zeichen von Verwirrung und ließ sie da, wo sie waren.
»Haben Sie die in Angelos Wohnung gefunden?«
»Nein.«
»Wo denn dann?«
»Versteckt im Kofferraum seines Mercedes.« Schlagartig drei Falten: eine auf der Stirn, zwei neben dem Mund. Zum ersten Mal wirkte sie wirklich erschüttert. »Wieso versteckt?«
»Tja, ich weiß es nicht. Ich könnte eine Erklärung versuchen. Vielleicht wollte Angelo nicht, dass seine Schwester sie liest, Sie wissen schon, wegen bestimmter Dinge, die ihn in Verlegenheit hätten bringen können.«
»Was reden Sie denn da, Commissario? Zwischen den beiden herrschte absolutes Vertrauen!«
»Hören Sie, lassen wir das Wie und Warum mal außer Acht. Ich habe sie in einem gefütterten Umschlag unter der Matte des Kofferraums versteckt gefunden. Das ist Fakt. Aber die Frage ist eine ganz andere, und das wissen Sie.«
»Commissario, diese Briefe habe ich
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