Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
ich dir irgendwie nützlich sein?«
»Nein, Nicolò. Ich hatte einfach nur Lust, dich zu sehen.«
»Hör zu, gehst du Giacovazzo bei der Ermittlung über den Mord an Angelo Pardo zur Hand?«
Der Chef der Mordkommission war so freundlich gewesen, nicht zu leugnen, dass die Ermittlung ihm übertragen worden war; damit war es Montalbano erspart geblieben, ständig von Journalisten umlagert zu werden. Aber trotzdem fiel es ihm schwer, den Freund anzulügen. »Nein, überhaupt nicht, du weißt doch, wie Giacovazzo ist. Warum fragst du mich das?«
»Weil man aus Giacovazzo auch nicht ein Wort herausbekommt, nicht mal mit der Kneifzange.« Natürlich, der Chef der Mordkommission redete nicht mit den Journalisten, weil er nichts zu erzählen hatte. »Und doch denke ich«, redete Zito weiter, »dass er, wenn man bedenkt, was gerade passiert, etwas wissen muss.«
»Was passiert denn gerade?«
»Wie? Liest du denn keine Zeitungen?«
»Nicht immer.«
»Eine Ermittlung in ganz Italien hat zur Anklage von viertausend und mehr Ärzten und Apothekern geführt.«
»Schon, aber was hat das damit zu tun?«
»Salvo, denk doch mal nach! Was war denn der Beruf des ehemaligen Arztes Angelo Pardo ?«
»Medizinisch-wissenschaftlicher Informant.«
»Eben. Und in der Tat lautet die Beschuldigung, die gegen die Ärzte und Apotheker erhoben wird, auf illegale Absprachen zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern.«
»Das heißt?«
»Das heißt, dass sie sich von einigen medizinisch-wissenschaftlichen Informanten haben bestechen lassen. Für Geld oder andere Geschenke haben diese Ärzte und Apotheker Medikamente ausgewählt und verschrieben, die ihnen von den Informanten ans Herz gelegt wurden. Und wenn das vorkam, wurden sie ansehnlich belohnt. Ist dir der Mechanismus klar?«
»Ja. Die Informanten beschränkten sich nicht darauf zu informieren.«
»Genau. Sicherlich sind nicht alle Ärzte korrupt, und nicht alle Informanten haben bestochen, aber das Phänomen hat sich als äußerst weitreichend erwiesen. Und natürlich sind ungeheuer mächtige Arzneimittelhersteller darin verwickelt.«
»Und du glaubst, Pardo könnte deshalb ermordet worden sein?«
»Salvo, ist dir klar, was für Interessen sich hinter einer derartigen Angelegenheit verbergen? Wie auch immer, ich denke nichts. Ich sage nur, es könnte ein Aspekt sein, der es verdient, genauer unter die Lupe genommen zu werden.«
Alles in allem, dachte der Commissario, während er mit zehn Kilometer pro Stunde nach Vigàta zurückfuhr, war die Fahrt nach Montelusa nicht umsonst gewesen. Nicolos Vorschlag war eine Fährte, an die er nicht einmal im Traum gedacht hätte, die aber unbedingt in Erwägung gezogen werden musste. Doch wie sollte er das angehen? Angelos großes Notizbuch aufschlagen, das, in dem Namen, Anschriften und Telefonnummern von Ärzten und Apothekern geschrieben standen, den Hörer abnehmen und die Frage stellen:
»'tschuldigung, haben Sie sich zufälligerweise von dem medizinisch-wissenschaftlichen Informanten Angelo Pardo bestechen lassen?«
Die Sache so anzugehen hätte mit Sicherheit zu keinem Ergebnis geführt. Vielleicht musste er ein bisschen Hilfestellung von jemandem erbitten, der sich mit dieser Ermittlungsweise auskannte.
Kaum war er im Büro zurück, rief er die Dienststelle der Guardia di Finanza, der Finanzpolizei in Montelusa, an. »Commissario Montalbano hier. Ich möchte mit Capitano Aliotta sprechen.«
»Ich verbinde Sie sofort mit dem Maggiore.« Aha, man hatte ihn befördert. »Lieber Montalbano!«
»Meinen Glückwunsch, ich hatte keine Ahnung von der Beförderung.«
»Danke. Das ist schon ein Jahr her.«
Ein verborgener Tadel: Du gehörntes Rindvieh, seit einem Jahr rufst du schon nicht mehr an.
»Ich wollte wissen, ob Maresciallo Laganà noch im Dienst ist.«
»Noch für kurze Zeit.«
»Er hat mir in der Vergangenheit beachtliche Hilfe geleistet, und da wollte ich ihn fragen, ob er mir noch einmal, natürlich nur mit deiner Einwilligung…«
»Aber sicher. Ich verbinde dich mit ihm, er wird überglücklich sein.«
»Lagana? Alles in Ordnung? Hätten Sie eine halbe Stunde Zeit für mich? Ja? Sie wissen nicht, wie dankbar ich Ihnen bin. Nein, nein, ich kann zu Ihnen nach Montelusa kommen. Morgen gegen achtzehn Uhr dreißig, passt Ihnen das?«
Sobald er aufgelegt hatte, kam Mimi Augello mit düsterer Miene herein. »Was hast du?«
»Beba hat mich angerufen und mir gesagt, dass Salvuccio ein bisschen unruhig wirkt.«
»Weißt
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