Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Eier«, war die freundliche Begrüßung von Dottor Pasquano. Montalbano blieb ungerührt und antwortete im gleichen Ton. Pasquano wurde nur dann umgänglich, wenn man ihm Paroli bieten konnte.
»Wollen Sie wissen, was mit meinen ist? Dampflok, sag ich nur.«
»Was, verdammt noch mal, wollen Sie?« Er hatte verdammt noch mal gesagt, nicht Wichserei oder Ähnliches, und das bedeutete, er war wirklich aufgebracht.
»Was ist denn passiert, Dottore?«
»Passiert ist, dass ich gestern Abend im Club beim Spiel eine Straße hatte.«
»Ist doch gut, oder?«
»Nein, denn irgend so ein Hornochse hatte ebenfalls eine Straße. Allerdings einen Straight Flush. Verstehen Sie?«
»Wunderbar, Dottore. Haben Sie noch mal nachgelegt?«
»Hätten Sie's denn nicht getan?«
»Ich spiele nicht. Sie werden schon sehen, heute Abend kommen Sie zum Zug.«
»Sind Sie gekommen, um mir Trost zu spenden?«
»Ich bin gekommen, um…«
»… um über das Leben der Phoenicopteridae zu sprechen?«
»Der Flamingos? Nein, eher schon über das der Lepidopteren.«
»Sie meinen das Mädchen mit dem Schmetterling?«
»Das meine ich.«
»Schauen Sie, sie war mit Sicherheit unter dreißig. Um die fünfundzwanzig. Sie wurde mit einem einzigen Schuss ins Gesicht getötet, der aus weniger als zehn Metern Entfernung abgefeuert wurde.«
»Ein guter Schütze?«
»Entweder das oder er hatte unwahrscheinliches Glück.«
»Bei der Spurensicherung heißt es, es wäre eine großkalibrige Waffe gewesen.«
»Um das herauszufinden, braucht man nicht die Erkenntnisse der Spurensicherung. Es genügt, wenn man sich die Verheerung ansieht, die sie angerichtet hat. Das Geschoss hat den linken Kieferknochen gestreift und, um nur ein Beispiel zu nennen, die Hälfte der oberen Zahnreihe weggerissen, die ich in der Leiche nicht gefunden habe.«
»Wann ist sie umgebracht worden?«
»Der Mord ist ganz sicher in der Nacht von Samstag auf Sonntag geschehen. Und in der Nacht von Sonntag auf Montag hat der Mörder die Leiche fortgeschafft und auf die Müllkippe geworfen.«
Alles passte zusammen.
»Aber warum sollte er sie den ganzen Sonntag über behalten haben?«
»Das gehört nicht in meinen Bereich, sondern in Ihren.«
»Hören Sie, Dottore, ist es Ihnen gelungen festzustellen, ob sie Geschlechtsverkehr gehabt hat, bevor sie ermordet wurde?«
»Hätte sie den gehabt, hätte ich's Ihnen gesagt. Und vor allem hätte ich's dem Ermittlungsrichter Tommaseo gesagt, um ihn glücklich zu machen.«
»War sie eine Prostituierte?«
»Auch das würde ich ausschließen.«
»Warum?«
»Darum.«
»Was hat sie Ihrer Meinung nach im Augenblick des Schusses gemacht?«
»Fragen Sie so was das Mädchen auf dem Dreifuß.«
»Ich will die Frage präzisieren. Stand sie? Lag sie? Saß sie?«
»Mit Sicherheit stand sie. Und der, der auf sie geschossen hat, stand hinter ihr.«
»Was heißt hinter ihr? Hat er denn nicht von vorne geschossen?«
»Meiner Meinung nach hat sich die Kleine umgedreht und genau in dem Augenblick nach hinten gesehen, in dem der Mörder den Abzug gedrückt hat. Vielleicht hat der Mörder sie gerufen, sie hat sich umgedreht, und der andere hat geschossen.«
Montalbano dachte einen Augenblick darüber nach. »Machen Sie ein bisschen schneller mit Ihren schlauen Folgerungen«, sagte Dottor Pasquano. »Ich hab schließlich nicht endlos Zeit.«
»Kann es nicht sein, dass das Mädchen weglaufen wollte?«
»Das ist sehr wahrscheinlich.«
»Vielleicht vor einer versuchten Vergewaltigung?«
»In einer derartigen Hypothese lassen Sie sich vielleicht besser von Ermittlungsrichter Tommaseo bestärken.« An diesem Morgen war Pasquano wirklich unausstehlich. »Waren an den Fingern Spuren von Ringen?«
»Sie hat einen am kleinen Finger getragen, nicht am Ringfinger. Sie war also nicht verheiratet. Beziehungsweise nach einem anderen Ritus. Oder sie war doch verheiratet, trug aber keinen Ehering.«
»Piercings?«
»Keine.«
»Die Bisse am Schenkel?«
»Ah ja, die meinen Sie? Ratten so groß wie Hundewelpen.«
»Ist das alles, was Sie mir sagen können, Dottore?«
»Nein.«
»Hören Sie, Dottore, auch ich hab nicht endlos Zeit.«
»Ich habe zwei Dinge herausgefunden.«
»Wollen Sie mir das in monatlichen Raten erzählen?«
»Ich habe zwei Fetzen von schwarzer Wolle im Kopf gefunden.«
»Was bedeutet das?«
»Was denken Sie denn? Etwa dass die beiden Wollfetzen ein genetischer Defekt wären?«
»Wollen Sie damit vielleicht sagen, dass das Geschoss
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