Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
gehen. Ach, mehr noch: Es könnte ihm gar nicht besser gehen. Und genau in dem Moment, wo sich bei Signora Ciccina die Besorgnis zu verflüchtigen beginnt, zeigst du ihr das Foto.«
»Und wenn sie fragt, wie wir an dieses Foto gekommen sind?«
»Dann sagst du ihr, man hätte es uns anonym zugeschickt.«
»Weißt du, was ich tue? Ich rufe sie jetzt gleich an und sage ihr, sie soll herkommen. Dann habe ich das vom Tisch. Und falls es nötig sein sollte, rufe ich dich dazu.«
»Mich?! Ich habe mit dieser Sache nichts zu tun, Mimi, und ich will auch nichts damit zu tun haben. Das Verdienst, diesen Fall aufgeklärt zu haben, kommt allein dir und Fazio zu. Untersteh dich also bloß nicht.«
Er blieb noch eine halbe Stunde im Kommissariat. Dann aber hatte er doch die Befürchtung, dass Mimi sich beim Gespräch mit Signora Ciccina hilflos fühlen und ihn hinzuziehen könnte, und beschloss zu gehen. »Fahren Sie nach Marinella, Dottori?«
»Ja, Catare. Wir sehen uns morgen früh.« Der Regen hatte eine kurze Pause eingelegt, versprach aber, danach mit noch größerer Heftigkeit als vorher weiterzumachen.
Kaum war er abgefahren, wurde ihm klar, dass er keine große Lust hatte, nach Hause zurückzukehren, denn bei diesem starken Regen würde er nicht auf der Veranda sitzen können. Er müsste stattdessen in der Küche oder vor dem Fernseher essen. Kurzum, er wäre allein in seinen vier Wänden und würde weiter über der Sache mit Livia brüten. Na, das konnte ja heiter werden! Was also tun? Zu Enzo fahren oder eine neue Trattoria ausprobieren? Und was, wenn es wieder anfing, wie aus Kübeln zu gießen?
Weil er, in solche Gedanken verloren, recht langsam fuhr, hupte jemand hinter ihm. Er fuhr rasch rechts ran. Doch der Wagen hinter ihm überholte ihn nicht nur nicht, sondern hupte erneut.
Wollte man ihm wirklich auf den Eiern rumtrampeln? Es hatte wieder angefangen zu regnen, daher sah er im Rückspiegel gerade mal, dass das Auto, das so dicht hinter ihm fuhr, gehobener Klasse und grün war. Da kurbelte er das Seitenfenster herunter, streckte den Arm hinaus und machte Zeichen, dass es ihn überholen sollte. Die Antwort war ein weiteres Hupen.
Wollten die da Zoff ? Dann sollten sie ihn bekommen. Er fuhr ganz dicht an den Straßenrand und blieb stehen. Das Auto hinter ihm tat es ihm gleich. Da verlor Montalbano die Geduld. Trotz des Regens öffnete er die Wagentür und stieg aus. Er sah sofort, dass der in dem anderen Auto die Beifahrertür öffnete.
Er rannte los und stieg in den grünen Wagen, bereit, den ersten Schlag auszuteilen - und fand sich von den Armen Ingrids umschlungen.
»Da hab ich dich ganz schön zur Weißglut gebracht, was, Salvo!«, sagte sie lachend.
Ingrid Sjoström! Seine Freundin, seine Vertraute und Komplizin! Die er mindestens ein halbes Jahr nicht mehr gesehen hatte.
»Ingrid, wie schön! Wo wolltest du hin?«
»Zu einem Freund, wir wollen zusammen zu Abend essen. Und wohin wolltest du?«
»Nach Marinella.«
»Bist du allein? Hast du was vor?«
»Ich bin frei wie ein Vogel.«
»Wart mal gerade.«
Sie griff nach ihrem Handy, das auf dem Armaturenbrett lag, und wählte eine Nummer.
«Manlio? Ich bin's, Ingrid. Hör mal, leider muss ich dir sagen, dass ich furchtbar Migräne bekommen habe, gerade als ich mich anziehen wollte. Können wir's auf morgen verschieben? Ja? Du bist ein Engel.« Sie legte das Handy wieder zurück.
»Hatte mein ganzes Leben noch keine Migräne«, sagte sie.
»Wo fahren wir hin?«, fragte Montalbano.
»Zu dir nach Hause. Wenn Adelina dir was vorbereitet hat, teilen wir's uns.«
»Einverstanden.«
Mit Ingrid veränderten sich die Aussichten auf den Abend in Marinella erheblich.
»Ich fahre voraus, und du fährst hinter mir her.«
»Nein, Salvo, das schafft mein Auto nicht, dir hinterherzufahren, da würde der Motor zu sehr leiden. Gib mir die Hausschlüssel, ich fahr schon mal vor.«
Als er ankam, war Ingrid im Schlafzimmer. Sie durchwühlte ihre Umhängetasche.
»Ich geh mal eben duschen, Salvo, meine Sachen sind völlig durchnässt und alles klebt an mir.«
»Dann geh ich nach dir.«
In diesem Augenblick fiel die Tasche, die Ingrid auf den Nachttisch legen wollte, hinunter, und der Inhalt verteilte sich über den gesamten Boden. Sie suchten alles wieder zusammen und schließlich kontrollierte Ingrid, ob sie nichts übersehen hatten. »Hm«, machte sie etwas ratlos. »Fehlt was?«
»Ich dachte, ich hätte ein Päckchen Kondome dabei. Ich finde es aber
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