Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
von einem Durchschnitt von zehn Mädchen pro Jahr ausging, kam man auf 292000 Euro. Und das war ein geringer Anteil?
Nicht schlecht für ein Non-Profit-Unternehmen.
Montalbano witterte den Geruch von Verbranntem.
Neun
Außerdem war da etwas im Verhalten des Cavaliere, das dem Commissario nicht stimmig erschien. Empörte er sich vielleicht über die Art, mit der er seine Fragen stellte, oder hatte er Angst, er könnte ihm die richtige Frage stellen? Die, auf die es dem Cavaliere außerordentlich schwerfallen würde zu antworten? Doch was war in diesem Fall die richtige Frage?
»Haben Sie eine Unterkunft für die Mädchen, die auf ihre Vermittlung warten?«, versuchte der Commissario einen Zufallstreffer zu landen.
»Natürlich. Eine kleine Villa außerhalb von Montelusa…«
»In Ihrem Besitz?«
»Das wäre schön! Wir zahlen dafür eine ziemlich hohe Miete.«
»An wen?«
»An eine Gesellschaft aus Montelusa, die Mirabilis heißt.«
»Haben Sie dafür geeignetes Personal?«
»Ja, sie arbeiten fest bei uns. Aber wir brauchen auch externes Personal, Hilfskräfte.«
»Welcher Art?«
»Nun, Ärzte, um nur ein Beispiel zu nennen.«
»Für den Fall, dass die Mädchen krank werden?«
»Nicht nur im Fall von Erkrankungen. Sehen Sie, jedes Mädchen, das neu hier ankommt, wird unverzüglich einer ärztlichen Untersuchung unterzogen.«
»Um festzustellen, ob sie eine Geschlechtskrankheit hat?«
Cavaliere Piro machte keinen Hehl daraus, dass ihm die Frage missfiel. Er runzelte die Stirn, blickte zum Himmel und fuhr mit dem Finger unter seiner Nase hin und her. Was ziemlich komisch aussah, da all das gleichzeitig geschah.
»Auch deshalb, natürlich. Doch vor allem, um festzustellen, ob sie in gesunder und robuster Verfassung sind. Wissen Sie, bei dem unglückseligen Leben, das sie vorher ertragen mussten…«
»Werden die Ärzte von Ihnen bezahlt?«
»Nein, es gibt da eine Übereinkunft zwischen dem Bischofssitz und…«
Als ob die das Risiko eingehen würden, auch nur einen Cent rausrücken zu müssen!
»Auch die Medikamente bekommen Sie umsonst?«
»Natürlich.«
Natürlich. Wie konntest du nur daran zweifeln? »Kommen wir noch einmal auf meine vorige Frage zurück. Ich hatte Sie gefragt, was das für besondere Anforderungen sind, die Sie mir gegenüber angedeutet haben.«
»Nun ja, der eine braucht eine Altenpflegerin, der andere eine Haushaltshilfe, wieder ein anderer eine Köchin. Verstehen Sie?«
»Durchaus. Und das ist alles?«
Der Cavaliere rieb sich die Nase.
»Auch das Alter und die Religion sind wichtig.«
»Und darüber hinaus?«
Reibungsbewegungen an der Grenze zur Schallgeschwindigkeit.
»Was könnten sie denn sonst noch wollen?«
»Was weiß ich… Haarfarbe… Augenfarbe… Beinlänge… Brustumfang… Hüftumfang…«
»Weshalb sollten sie derartige Anforderungen stellen?«
»Wissen Sie, Cavaliere, es kann doch vorkommen, dass der eine oder andere ältere Herr von einer Pflegerin träumt, die der Fee mit den blauen Haaren aus Pinocchio ähnelt.« Cavaliere Piro rieb zuerst den rechten und gleich darauf den linken Finger unter seiner Nase hin und her. Montalbano wechselte das Thema. »Wie ist das Durchschnittsalter der Mädchen?«
»So über den Daumen gepeilt würde ich sagen, siebenundzwanzig, achtundzwanzig Jahre.«
»Aber diese jungen Frauen, die da zu Ihnen kommen und vorher ganz andere Dinge gemacht haben, wie lernen die, Köchinnen zu werden oder Haushaltshilfen?« Guglielmo Piro wirkte ein klein wenig erleichtert. »Dafür brauchen die nicht lang, wissen Sie? Das sind junge, intelligente Frauen. Und wann immer wir in einer von ihnen besondere Fähigkeiten entdecken, helfen wir ihr, wie soll ich sagen, sich darin zu vervollkommnen …«
»Erklären Sie mir das genauer. Ihr engagiert weibliches Fachpersonal, das ihnen beibringt, wie man kocht, wie man…«
»Weshalb sollten wir denn Fachpersonal engagieren? Sie lernen, indem sie unserem Personal zur Hand gehen.« Und so sparten sie gleich noch die Löhne ein. »Monsignor Pisicchio hat mir gesagt, dass einige junge Frauen von Pfarrern gemeldet werden, andere von Vereinen, die dem Ihren ähnlich sind, und wieder andere werden angeworben …«
Cavaliere Piro rieb aufgeregt mit dem Finger unter der Nase hin und her.
» Dio mio, was für ein hässliches Wort! Angeworben!«
»Hab ich mich denn schon wieder versprochen? Sehen Sie's mir nach, Cavaliere, ich habe einen ziemlich begrenzten Wortschatz. Wie würden Sie denn dazu
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