Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
denn, was?«, fragte Morabito beinahe atemlos. »Es sei denn, der Brandstifter stand bereits auf der Treppe. Er schichtet den Stapel auf, geht die Stufen hoch, wirft das brennende Wachsstreichholz, oder was es sonst war, oben von der Treppe herunter, weil er so außerhalb des auflodernden Feuers stand. Ja, so muss es gewesen sein. Doch in diesem Fall…«
Spannung. Pause. Angestrengter Gesichtsausdruck, weil in seinem Kopf ein Gedanke Gestalt annimmt.
»… in diesem Fall?«, hauchte Morabito. »In diesem Fall blieb dem Brandstifter, um sich in Sicherheit zu bringen, kein anderer Ausweg, als in Ihre Wohnung einzudringen. Haben Sie ihn gesehen?«
»Wen?«, fragte Morabito völlig verdattert. »Den Brandstifter.«
»Aber woher denn?!«
»Sie sind sich da sicher?«
»Wenn ich Ihnen sage, dass …« Montalbano hob eine Hand. »Halt!«
Und er starrte nach oben in die linke Ecke des Zimmers. Dann murmelte er vor sich hin. »Ja… ja… ja…«
Er sah wieder zu Morabito hinunter.
»Soll ich Ihnen was sagen? Mir kommt da so eine Idee.«
»Was … für eine?«
»Dass Sie den Brandstifter nicht nur gesehen, sondern ihn auch erkannt haben, Sie wollen es uns nur nicht sagen.«
»Wa.. .rum sollte ich…«
»Weil Sie Angst haben. Und Sie haben Angst, weil der Brandstifter einer der Stellino-Brüder ist, einer der Mafiosi, die Ihren Stadtbezirk kontrollieren.« Morabito fuhr hoch, geriet ins Wanken und musste sich wieder setzen.
»Um Himmels willen! Gott steh mir bei! Die Stellinos haben nichts damit zu tun! Das schwöre ich Ihnen!«
»Das sagen Sie. Und weil Sie das sagen… Wissen Sie was? Mir kommt da noch eine andere Idee.« Morabito breitete gottergeben die Arme aus.
»Haben Sie Feinde?«
»Ich? Feinde? Nein.«
»Und doch könnte man meinen, dass es da jemanden gibt, der Ihnen was … Wie sagt man doch gleich? … Fällt mir gerade nicht ein … Fazio, hilf mir doch mal.«
»Was am Zeug flicken will?«, versuchte es Fazio.
»Ja! Genau das! Wir könnten es auch einen üblen Streich nennen! Finden Sie nicht, Signor Morabito?«
»Ich … hab … nicht… ver.. .stan…«
»Aber das ist doch ganz einfach! Irgend so ein Typ, der Ihnen was anhängen will, setzt Ihr Geschäft in Brand, damit der Verdacht auf die Stellino-Brüder fällt.«
»Kann sein«, sagte Morabito, der sich an Montalbanos Worte klammerte.
»Sie meinen, ja? Wissen Sie, ich bin froh über Ihre Zustimmung! Sehr froh sogar! Denn, sehen Sie, dass es sich um Brandstiftung handelt, ist ja auch die Meinung von Dottor Locascio, dem Inspektor der Versicherung.«
»Wie sollte es auch anders sein! Die suchen doch immer einen Vorwand, um nicht bezahlen zu müssen!«, sagte Morabito ein klein wenig erleichtert. »Locascio denkt aber nicht an eine nicht erfolgte Zahlung von Schutzgeldern.«
»Ach, nein? Was denkt er dann?«
»Wollen Sie, dass ich Ihnen das sage? Wollen Sie das wirklich? Er denkt, dass Sie das Feuer gelegt haben, um die Versicherungssumme zu kassieren.«
»Was für ein verdammter Hurensohn! Wozu brauche ich denn das Geld der Versicherung? Meine Geschäfte laufen ausgezeichnet! Da brauchen die doch nur die Banken zu befragen!«
»Mein Kollege, Commissario Di Nardo, der Sie bereits vernommen hat, denkt da ganz anders.«
»Anders als wer?«
»Als Locascio natürlich. Er ist der festen Überzeugung, dass kein Schutzgeld gezahlt worden ist. Ebendeshalb hat er uns um Mithilfe gebeten. Er will diesen Brand zum Anlass nehmen, Anklage gegen die Stellino-Familie zu erheben, die die Kontrolle über den Stadtbezirk hat, in dem Sie Ihr Geschäft haben. Fassen Sie sich doch ein Herz, Signor Morabito. Uns genügt das kleinste Wort von Ihnen, und wir stecken die Stellinos hinter Gitter!«
»Hören Sie doch auf mit den Stellinos! Die haben damit gar nichts zu tun!«
»Sind Sie sich da sicher?«
»Absolut sicher. Aber selbst wenn sie was damit zu tun hätten und ich nur das kleinste Wort sagen würde, bringen die mich um!«
»Aber die Stellinos haben ja gar nichts mit dem Brand zu tun, wie Sie wiederholt erklärt haben.«
»Hören Sie, Sie reden und reden, und ich begreife überhaupt nichts mehr!«
»Sind Sie müde? Sollen wir eine Pause machen?«
»Ja.«
»Was werden Sie tun? Werden Sie mich anzeigen?«
»Ich Sie? Aber wie… wieso?«
»Weil ich jetzt eine Zigarette rauche. Das ist hier verboten.«
Morabito zuckte mit den Schultern.
Fünfzehn
Er rauchte die Zigarette in aller Ruhe, und weil er keinen Aschenbecher sah, drückte er sie
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