Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Geschäft in Brand gesteckt?«
»Daran habe ich keinen Zweifel mehr. Und er hat Angst, dass die Schuld den Stellinos zugeschoben wird. Fast tut er mir leid. Er ist wie eine Maus, die gleich von zwei hungrigen Katzen gejagt wird: der Mafia und dem Gesetz!«
»Aber warum sollte er es getan haben?«
»Erinnerst du dich an den Film, von dem ich dir erzählt habe? Um etwas zu verbergen, das ungeheure Folgen nach sich ziehen würde.«
»Das heißt?«
»Was, wenn er es gewesen ist, der auf das Mädchen geschossen und es umgebracht hat?«
»Auch das ist möglich. Aber Sie sprachen vorher von einer Patronenhülse. Und was, wenn Morabito, nur mal angenommen, einen Revolver benutzt hat?«
»Das frage ich ihn gleich. Geh und hol das Wasser für ihn, wir sollten ihm keine Zeit zum Nachdenken lassen. Und ich sag dir schon mal: Halte dich bereit für einen Noteinsatz, denn jetzt fahre ich starkes Geschütz auf.« Morabito leerte das Glas in einem Zug, seine Kehle musste glühen, noch mehr verbrannt sein als sein Geschäft. »Befriedigen Sie doch mal meine Neugier. Besitzen Sie eine Waffe?«, fing der Commissario wieder an. Morabito, der diesen plötzlichen Themenwechsel nicht erwartet hatte, zuckte zusammen. Die Anstrengung, die es ihn kostete zu antworten, war deutlich sichtbar. Und Montalbano begriff, dass er auf dem richtigen Weg war. »Ja.«
»Gewehr, Karabiner, Pistole, Revolver?«
»Einen Revolver.«
»Angemeldet?«
»Ja.«
»Was für ein Kaliber?«
»Weiß nicht, ist aber groß.«
»Wo bewahren Sie ihn auf?«
»In der Wohnung. In der Nachttischschublade.«
»Wenn wir hier fertig sind, fahren wir zu Ihrer Wohnung.«
»Warum?«
»Ich will den Revolver sehen.«
»Warum?«
»Sie müssen schon entschuldigen, aber Sie müssen mit diesem dauernden Warum Warum aufhören.« Morabitos Schweiß hatte sein Hemd vorne durchnässt. »Ist Ihnen heiß? Wollen Sie noch ein Taschentuch?«
»Ja.«
»Haben Sie den Revolver kürzlich benutzt?«, fragte Fazio, der die Absicht des Commissario sofort verstanden hatte.
»Nein. Wieso hätte ich ihn benutzen sollen?«
»Na, woher sollen wir das denn wissen? Das müssen Sie uns schon sagen. Andererseits würden wir sofort herausfinden, ob Sie vor kurzem damit geschossen haben oder nicht.«
Das Taschentuch zerriss in Morabitos Händen. »Und… w.. .wie?«
»Da gibt es viele Methoden. Hören Sie, gab es bei Ihnen jemals einen versuchten Diebstahl?«
»Na ja, schon. Es kommt vor, dass mal jemand im Geschäft …«
»Das ist Ladendiebstahl, kein Einbruchsdiebstahl.«
»Ich weiß nicht…«
»Ich meinte einen Einbruchsversuch in Ihre Wohnung.«
»N… nein.«
»Noch nie?«, fragte Montalbano nach einer Auszeit dazwischen. »Noch nie.«
»Bewahren Sie für gewöhnlich viel Geld zu Hause auf?«
»Die Tageseinnahmen, die ich tags darauf in der Bank einzahle.«
»Warum deponieren Sie sie nicht am selben Abend noch im Nachttresor?«
»Weil zwei Ladenbesitzer überfallen worden sind, als sie abends das Geld dorthin bringen wollten.«
»Also zahlen Sie die Einnahmen vom Freitag und vom Samstag am Montagmorgen ein?«
»J…a.«
»Dann ist also anzunehmen, dass samstagsabends immer eine große Summe Bargeld bei Ihnen zu Hause liegt?«
»Ja.«
»Wo bewahren Sie das Geld im Allgemeinen auf? Haben Sie einen Safe?«
»Nein, ich lege es in die Schublade meines Schreibtischs zu Hause.«
»Sie leben alleine?«
»Ja.«
»Wer hält Ihren Haushalt in Ordnung?«
»Also … Sehen Sie … Da kommt eine Reinigungsfirma für das Geschäft, und mit denen habe ich eine Vereinbarung …«
Die Anstrengung, die ihn das viele Reden gekostet hatte, erschöpfte ihn. Er begann schwer zu keuchen, so, als bekäme er keine Luft mehr.
»Signor Morabito, ich sehe, Sie sind müde, und ich will zum Ende kommen. Beantworten Sie meine Fragen ganz einfach mit Ja oder Nein. Sie schließen Brandstiftung aus?«
»J…a.«
»Sie schließen also jegliche Beteiligung der Stellino-Brüder aus?«
»Ja.«
»Das Feuer ist Ihrer Meinung nach zufällig ausgebrochen?«
»Ja.«
»Gut. Dann bleibt mir nur noch eins übrig.«
»Und … was?«
»Sie für morgen Vormittag um neun hier einzubestellen.«
»Schon wieder?! Und warum?«
»Für eine Gegenüberstellung.«
»Mit wem?«
»Mit den Stellino-Brüdern. Noch heute Abend lasse ich sie verhaften.«
Dicke Tränen begannen Morabito übers Gesicht zu rinnen. Sein Kinn zitterte. Das Zittern wurde so heftig, dass man meinen konnte, das Kinn stünde unter
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