Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
flüchten, als aus Pflichtgefühl dem Anrufer gegenüber. Es war halb sieben. »Ah, Dottori, Dottori! Catarella hier!« Montalbano war nach einem kleinen Spielchen. »Entschuldigung, was haben Sie da gesagt?«, fragte er mit verstellter Stimme. »Catarella ist hier, Dottori!«
»Welchen Dottore suchen Sie denn? Das hier ist die tierärztliche Notaufnahme.«
»O Madonna mia! Bitte entschuldigen Sie vielmals, da hab ich mich verwählt!«
Und gleich darauf rief er wieder an.
»Hallo? Ist da die Tierarztpraxis?«
»Nein, Catare. Hier ist Montalbano. Warte einen Augenblick, dann gebe ich dir die Nummer der Praxis.«
»Neinnein, ich will doch gar nicht mit der Tierarztpraxis sprechen!«
»Aber warum fragst du denn dann danach?«
»Ach, das weiß ich doch selber nicht. Entschuldigen Sie, Dottori, jetzt bin ich bin völlig durcheinander. Könnten Sie schnell auflegen und ich fange noch mal ganz von vorn an?«
»Mach ich.«
Er rief zum dritten Mal an. »Sind Sie es, Dottori?«
»Ja, ich bin's.«
»Haben Sie noch geschlafen?«
»Nein, ich hab Rock'n'Roll getanzt.«
»Wirklich? Das können Sie?«
»Catare, nun sag schon, was passiert ist.«
»Sie haben eine Leiche gefunden.«
Wie sollte es auch anders sein? Wenn Catarella um halb sieben Uhr in der Frühe anrief, konnte das nur bedeuten, dass es einen Morgentoten gab. »Mann oder Frau?«
»Es handelt sich um einen Toten von männlichem Geschlecht.«
»Wo hat man ihn gefunden?«
»Im Ortsteil Spinoccia.«
»Und wo ist das?«
»Weiß nicht, Dottori. Jedenfalls kommt jetzt Gallo zur Abholung vorbei.«
»Wer wird abgeholt? Der Tote?«
»Aber nein, Dottori, Sie persönlich selber kommt er abholen. Gallo kommt mit dem Auto und fährt Sie hin zu der Stelle, die sich allda im Ortsteil Spinoccia befindet.«
»Hätte denn nicht auch Augello da hinfahren können?«
»Neinnicht, insofern als im Augenblick des Anrufs, den ich bei ihm gemacht habe, seine Frau mir sagte, dass er sich außerhalb des Hauses befinden würde.«
»Aber er hat doch ein Handy«
»Ja schon. Aber ebendieses Handy ist ausgeschaltet.« Und das soll einer glauben, dass Mimi morgens um halb sieben schon außer Haus war! Der schlief doch mit Sicherheit noch tief und fest und hatte Beba aufgetragen, irgendein Ammenmärchen zu erzählen. »Und wo ist Fazio?«
»Der ist schon mit Galluzzo zu der besagten Örtlichkeit gefahren.«
Montalbano hatte das Gesicht noch voller Rasierschaum, als Gallo an die Tür klopfte.
»Komm rein, in fünf Minuten bin ich fertig. Wo ist eigentlich der Ortsteil Spinoccia?«
»In einer gottverlassenen Gegend, Dottore, irgendwo auf dem Land, ungefähr zehn Kilometer unterhalb von Giardina.«
»Weißt du etwas über den Toten?«
»Absolut gar nichts, Dottore. Fazio hat mich angerufen und mir gesagt, ich soll zur Abholung kommen, und also komme ich jetzt zur Abholung.«
»Aber weißt du denn, wie man dahin kommt?«
»Theoretisch schon. Ich hab auf der Karte nachgeschaut.«
»Gallo, denk dran, das hier ist eine steinige Landstraße, nicht die Rennstrecke von Monza.«
»Weiß ich doch, Dottore, deshalb fahr ich ja schon langsam.«
Und fünf Minuten später:
»Gallo, ich hab dir gesagt, du sollst nicht so rasen!«
»Aber ich fahr doch schon im Schneckentempo, Dottore.« Im Schneckentempo über einen staubigen Landweg voller Löcher, Senken und Gräben zu fahren, die aussahen, als wären sie von Granateneinschlägen in die Landschaft gerissen worden, bedeutete für Gallo, eine Geschwindigkeit um die achtzig Kilometer zu halten.
Sie kamen durch eine trostlose Gegend mit verbrannter gelblicher Erde, aus der vereinzelt ein kümmerlicher Baum ermporwuchs. Montalbano mochte diese Landschaft sehr. Das letzte, kubusförmige weiße Haus hatten sie schon vor einem Kilometer hinter sich gelassen. Bislang war ihnen nur ein Karren begegnet, der von Vigàta nach Giardina hinauffuhr, und ein alter Mann auf einem Maultier, der in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war. Nach einer Kurve sahen sie in der Ferne das Auto des Kommissariats und einen Esel. Wohl wissend, dass es ringsum nichts zu fressen gab, stand das Tier mutlos neben dem Auto und sah sie ohne jedes Interesse näher kommen. Gallo ließ das Auto mit einem so plötzlichen Lenkmanöver rechts neben den Weg schlittern, dass Montalbano trotz des Sicherheitsgurts heftig zur Seite geschleudert wurde und das Gefühl hatte, ihm würde der Kopf vom Rumpf getrennt. Er begann zu fluchen.
»Hättest du denn nicht einfach
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