Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
Sie mir genauer, warum Sie diesen Eindruck hatten.«
»Weil ich gesehen habe, dass der Mann den Kopf aus dem Beifahrerfenster gesteckt hatte.«
»Kann es nicht sein, dass er nur angehalten hatte, um nachzusehen, in welchem Zustand die Frau war?«
»Das schließe ich aus. Je länger ich darüber nachdenke, umso überzeugter bin ich davon, dass er etwas zu ihr gesagt hat. Schauen Sie, er machte eine Geste mit der Hand, um damit zu unterstreichen, was er sagte.«
»Was für eine Geste?«
»Das habe ich nicht richtig erkennen können, ich habe einfach nur seine Hand außerhalb des Fensters gesehen.«
»Die Frau hat Ihnen aber nicht erzählt, dass dieser Mann etwas zu ihr gesagt hatte.«
»Nein.«
Als Fazio am späten Vormittag aufgetaucht war, erzählte er ihm die Geschichte, die Giacchetti ihm berichtet hatte.
»Was sollen wir da schon machen, Dottore, wenn ein Besoffener am Steuer es lustig findet, eine Frau zu erschrecken, indem er so tut, als wollte er sie umfahren?«
»Du bist also der Meinung, dass es sich um einen Streich handelte? Das ist nämlich genau die These, von der die schöne Unbekannte den Bankier zu überzeugen versucht hat.«
»Sehen Sie das anders?«
»Ich stelle mal ein paar Vermutungen an. Kann es sich nicht um einen Mordversuch gehandelt haben?«
Fazio machte ein zweifelndes Gesicht.
»In Gegenwart von Zeugen, Dottore? Giacchetti war doch direkt hinter ihm.«
»Entschuldige, Fazio, aber wenn er sie umgebracht hätte, was hätte Giacchetti uns schon erzählen können?«
»Na, zum Beispiel hätte er uns das Autokennzeichen nennen können.«
»Und wenn es ein gestohlener Wagen war?«
Fazio erwiderte nichts.
»Nein«, fing Montalbano wieder an. »An der Sache ist was faul.«
»Aber warum denn?«
»Weil er sie nicht umgebracht hat, Fazio. Weil er ihr nur Angst einjagen wollte. Und das nicht zum Spaß. Er hat angehalten, hat irgendwas zu der Frau gesagt und ist wieder gefahren. Und die Frau hat alles getan, um die Sache herunterzuspielen.«
»Hören Sie, Dottore, wenn die Dinge so liegen, wie Sie sagen, kann es dann nicht sein, dass der Fahrer, was weiß ich, ein verschmähter Liebhaber war, ein zurückgewiesener Verehrer?«
»Kann schon sein. Genau das ist es ja, was mir Sorgen macht. Er könnte es ein weiteres Mal versuchen und sie dann vielleicht schwer verletzen oder gar umbringen.«
»Soll ich mich darum kümmern?«
»Ja, aber verwende nicht zu viel Zeit darauf. Kann ja sein, dass das alles nur Blödsinn ist.«
»Wo wollte die Frau aussteigen?«
»An der Kreuzung zwischen Via Serpotta und Via Guttuso.«
Fazio verzog das Gesicht.
»Magst du Guttuso nicht?«
»Ich mag das Viertel nicht, Dottore. Da wohnen die Reichen.«
»Hast du was gegen reiche Leute? Das höre ich ja zum ersten Mal. Früher hast du mir mal vorgehalten, dass ich ein radikaler Kommunist wäre, und jetzt …«
»Mit Kommunismus hat das nichts zu tun, Dottore. Tatsache ist, dass die Reichen immer eine Riesenwelle um alles machen und schwierig im Umgang sind. Ein Wort zu viel, und du bist geliefert.«
»Dottori, es wäre so, dass da eine Signorina Zita am Telefon wäre, die mit Ihnen persönlich selbst sprechen möchte.«
»Wer ist denn diese Zita?«
»Dottori, nehmen Sie mich jetzt etwa auf den Arm?«
»Ich nehme dich nicht auf den Arm, Catarè, ich will nicht mit ihr reden.«
»Ganz sicher, Dottori?«
»Ganz sicher.«
»Ich sag ihr, Sie wären nicht daselbst am Ort?«
»Sag ihr, was immer dir für ein Blödsinn einfällt.«
Kurz bevor Commissario Montalbano beschloss, dass es jetzt Zeit wäre, essen zu gehen, tauchte Mimì Augello auf. Er machte einen einigermaßen ausgeruhten Eindruck. Aber er war nervös.
»Wie geht’s dir, Mimì?«
»Ich habe immer noch erhöhte Temperatur, aber ich wollte unbedingt aufstehen. Ich wollte wissen, was du vorhast.«
»Bezüglich was?«
»Salvo, jetzt tu nicht so, als würdest du mich nicht verstehen. Ich spreche von dem Toten im Müllsack. Lass uns die Dinge klarstellen, dann gibt es keine Missverständnisse und Verwicklungen. Kümmerst du dich um ihn oder ich?«
»Entschuldige, aber ich verstehe wirklich nicht. Wer ist der Verantwortliche dieses Kommissariats, du oder ich?«
»Wenn du es so siehst, haben wir natürlich nichts weiter zu besprechen. Rechtlich gesehen bist du für die Ermittlung zuständig.«
»Kann ich mal erfahren, Mimì, was eigentlich mit dir los ist? Habe ich dir in letzter Zeit nicht oft und gern völlige Handlungsfreiheit
Weitere Kostenlose Bücher