Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
vorbereiten, Mimì?«
»Kann ich offen reden?«
»Nur um mir diese Antwort zu geben.«
»Die Dinge liegen nicht so, wie du glaubst.«
»Dann brauchst du mir nichts weiter zu erklären. Ich glaube, dir genügt mein Wort, du brauchst keine schriftliche Antwort. Einverstanden.«
»Was heißt ›einverstanden‹?«
»Der Fall Skorpio gehört dir, Inspektor Callaghan.«
Mimì sah ihn verblüfft an, er hatte Montalbanos Filmzitat nicht verstanden. Doch Fazio hatte es verstanden und lief auf der Stelle rot an.
»Heißt das, Sie geben den Fall ab?«
»Genau das.«
Endlich fiel auch bei Mimì der Groschen.
»Du überträgst mir den Fall?«
»Ja.«
»Ganz sicher? Ich meine, du wirst es hinterher nicht bereuen?«
»Ich bereue es nicht.«
»Du schaltest dich nicht in die Ermittlungen ein?«
»Nein.«
»Ich habe volle Handlungsfreiheit?«
»Natürlich.«
»Was willst du als Gegenleistung?«
»Mimì, wir sind hier nicht auf dem Basar. Ich will lediglich, dass du dich an die Regeln hältst.«
»Das heißt?«
»Dass du mich informierst, bevor du irgendeinen wichtigen Schritt machst, Verhaftungen, Pressekonferenzen, öffentliche Erklärungen …«
»Und wenn du mir dann diesen nächsten Schritt untersagst?«
»Das werde ich bestimmt nicht tun. Ich will nur täglich über den Stand der Dinge informiert werden.«
»Einverstanden. Danke.«
Mimì stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. Montalbano nahm sie in die seine und hielt sie eine Weile fest. Mimì konnte nicht widerstehen.
»Darf ich dich umarmen?«
»Sicher.«
Sie umarmten sich. Mimì hatte feuchte Augen.
»Heute Morgen habe ich Dottor Lattes angerufen. Heute ist Donnerstag, am Abend fahre ich nach Boccadasse und komme Sonntagabend zurück. Du vertrittst mich also in allen Belangen, Mimì. Fazio wird dich über den Stand der Ermittlungen informieren. Und er wird sich zu deiner Verfügung halten. Ruf Tommaseo an, sobald du Zeit dafür findest, und setz ihn von allem in Kenntnis. Fazio kommt in fünf Minuten zu dir.«
Mimì ging hinaus, und es war offensichtlich, dass er am liebsten einen Freudentanz aufgeführt hätte.
»Es fehlte nicht viel, und er hätte Ihnen noch die Hand geküsst«, sagte Fazio voller Verachtung. »Und erklären Sie mir jetzt, warum Sie diesen glorreichen Einfall hatten?«
»Weil ich müde bin.«
»Müde in solchem Ausmaß? Das glaube ich nicht.«
»Dann eben, weil diese Ermittlung mich fertigmacht.«
»Ach ja? Und seit wann macht sie Sie fertig? Seit gestern in Gioia Tauro?«
»Na gut, dann eben, weil Mimì es verdient hat.«
»Oh nein, verdient hat er es nicht.«
»Fazio, lass uns ein bisschen mehr respektvolle Distanz zueinander wahren, ja? Ich habe so entschieden, weil mir danach war, so zu entscheiden. Und deshalb will ich jetzt keine Diskussionen mehr zu diesem Thema.«
»Dottore, der wird das Kommissariat in Teufels Küche bringen. Der ist doch nicht mehr ganz richtig im Kopf. Ich verstehe einfach nicht, was mit ihm los ist, mit Dottor Augello. Und das hier ist eine ganz heikle Sache, da hängt doch die Mafia mit drin. Also, ich will nicht mit Dottor Augello zusammenarbeiten.«
»Es geht nicht ums Wollen oder Nichtwollen, Fazio. Das ist ein Befehl.«
Fazio stand auf, totenblass und steif wie ein Besenstiel.
»Zu Befehl.«
»Warte. Versuch doch zu verstehen. Eben weil es eine heikle Sache ist, wie du selbst gesagt hast, stelle ich dich Mimì zur Seite.«
»Aber, Dottore, wenn der wieder so richtig loslegt, dann kann ich ihn ganz bestimmt nicht aufhalten.«
»Dann sagst du mir rechtzeitig Bescheid und ich werfe mich dazwischen.«
»Aber Sie sind doch jetzt in Boccadasse!«
»Ich glaube nicht, dass in diesen drei Tagen irgendetwas passiert, aber ich nehme vorsichtshalber das Handy mit. Und hast du nicht auch die Nummer von Livia?«
Er hatte keinerlei Gewissensbisse, das Handy in Marinella zu lassen, ganz tief unten in der Schublade mit der sauberen Wäsche. Und so würde auch der arme Fazio irgendwann seinen Teil des Verrats erleiden. Es war das erste Mal, dass er ihm etwas versprach, was er insgeheim gar nicht zu tun beabsichtigte. Andererseits war es unvermeidlich: Befanden sie sich nicht alle im Dunstkreis des Töpferackers?
Er nahm dieselbe Strecke wie am Vortag, aber dieses Mal fuhr er nicht langsamer, um die Landschaft zu betrachten. An der Abzweigung fuhr er nach Catania-Zentrum weiter, statt in Richtung Flughafen zu fahren. Kurz darauf fand er sich in dichtem Verkehr wieder, der ihn zwang,
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