Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
dagestanden hatte! Er hätte im Erdboden versinken mögen! Aber etwas Gutes hatte die Sache doch: Dottor Lattes würde ihn nun nicht mehr nach seiner Familie fragen.
Im Eifer des Gefechts war dem Polizeipräsidenten allerdings etwas herausgerutscht: das Eingeständnis nämlich, dass er gezwungen worden war, ihm die Ermittlungen wieder anzuvertrauen, gegen seinen Willen. Folglich hatte sich jemand eingeschaltet. Aber wer? Und vor allem: weshalb?
Angesichts der Tatsache jedoch, dass der Polizeipräsident schon angerufen hatte und dass die Fragen, die sich Montalbano stellte, nicht so schnell zu beantworten waren, beschloss er, auszugehen und bei Enzo zu essen.
Auf dem Weg zu seinem üblichen Spaziergang am Hafen kam ihm ein Gedanke. Vielleicht konnte er etwas nachhelfen, damit die Giovannini Mimì endlich verriet, warum sie sich auf den Weltmeeren herumtrieb, und die Schmuggelgeschäfte bestätigte, deren er sie verdächtigte.
Er machte den großen Rundgang, und als er zur Vanna kam, ging er die Gangway hinauf und blieb auf Deck stehen.
»Ist jemand da?«
Vom Salon rief Kapitän Sperlì herauf:
»Wer ist da?«
»Commissario Montalbano.«
»Kommen Sie, kommen Sie.«
Er kletterte hinunter. Der Kapitän war gerade beim Essen. Digiulio bediente ihn.
»Oh!«, rief Montalbano. »Wenn Sie beim Essen sind, komme ich später wieder.«
»Aber ich bitte Sie, ich bin schon fertig. Trinken Sie einen Kaffee mit mir?«
»Gerne.«
»Nehmen Sie doch Platz.«
»Ist Signora Giovannini nicht da?«
»Doch doch. Aber sie ruht sich aus. Wenn Sie wollen …«
»Nicht doch, lassen Sie sie schlafen! Ich habe gehört, dass Sie Probleme wegen des Treibstoffs hatten. Wie sieht es denn jetzt aus damit?«
»Es war offenbar falscher Alarm.«
»Dann werden Sie wohl bald ablegen?«
»Wenn man uns morgen früh die Leiche des armen Chaikri zurückgibt, wie uns zugesichert wurde, beerdigen wir ihn, und am Nachmittag legen wir ab.«
Digiulio brachte den Espresso. Sie tranken ihn schweigend. Dann fing Montalbano an, in seinen Taschen zu wühlen. Um an das ranzukommen, wonach er suchte, zog er die Zettel raus, die Catarella ihm gegeben hatte, und legte sie auf den Tisch. Auf dem ersten Blatt stand in dicken Buchstaben: Kimberley-Prozess. Er hatte noch nicht die Zeit gehabt, den Ausdruck zu lesen, aber was immer er enthielt, der Kapitän musste mit dieser Überschrift etwas anfangen können. Schließlich hatte die Giovannini in ihrem Safe eine Mappe, die genauso beschriftet war. Und tatsächlich zuckte der Kapitän zusammen, als sein Blick auf das Blatt fiel. Endlich zog Montalbano die Zigarettenpackung, nach der er gesucht hatte, aus der Tasche, zündete sich eine an und steckte die Blätter wieder ein.
Sperlì war nervös geworden.
»Wenn Sie mit der Signora sprechen wollen, kann ich Sie natürlich …«
»Aber ich bitte Sie«, sagte Montalbano und stand auf. »Es war nichts Wichtiges. Ich komme später noch mal. Auf Wiedersehen.«
Er stieg zum Deck hoch und verließ die Yacht. Sperlì rührte sich nicht, er blieb wie versteinert sitzen.
Vielleicht sollte er nachsehen, was es mit diesem Kimberley-Prozess auf sich hatte, wenn er den Kapitän damit derart beeindruckt hatte.
Aber das konnte warten, bis er wieder im Büro war. Der Spaziergang hatte Vorrang.
Während er auf dem flachen Felsen saß, überfiel ihn der Gedanke an Laura plötzlich wie ein tollwütiger Hund. Es tat richtig weh. Vielleicht empfand er deswegen einen so starken, fast körperlichen Schmerz, weil er, von den Ermittlungen in Anspruch genommen, eine ganze Weile nicht an sie gedacht hatte. Das war jetzt die Rache. Die Sehnsucht nach ihr brannte wie eine offene Wunde.
Nein, anrufen konnte und durfte er sie nicht. Aber eines konnte er tun, ohne dass es Folgen haben würde.
Er stieg ins Auto und fuhr zur Hafenmeisterei.
Der Wachposten am Eingang diskutierte mit zwei Seeleuten. Montalbano fuhr ein Stück vor und stellte den Wagen so ab, dass er im Rückspiegel sehen konnte, wer dort ein und aus ging.
Eine Viertelstunde blieb er so sitzen und rauchte dabei eine Zigarette nach der anderen. In einem Augenblick geistiger Klarheit schämte er sich plötzlich und fragte sich, was er da eigentlich tat.
So hatte er sich nicht einmal mit sechzehn aufgeführt, und jetzt war er achtundfünfzig! Achtundfünfzig, Montalbà! Vergiss das nicht, oder macht dich das Alter langsam zum Idioten?
Gedemütigt und voller Wehmut ließ er den Motor an und fuhr ins Kommissariat.
Er
Weitere Kostenlose Bücher