Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Unfähigkeit ausbaden und für Sie einspringen! Kommt ja gar nicht in Frage, schlagen Sie sich das aus dem Kopf! Schluss jetzt mit dem Unfug. Also, was haben Sie bisher eigentlich überhaupt unternommen? Kurz und knapp, wenn ich bitten darf! Letzteres dürfte ja angesichts Ihrer überschaubaren Aktivitäten wohl kein Problem sein.«
»Ich habe angefangen, im Umfeld des Toten zu recherchieren«, sagte Pavarotti frostig.
»Im Umfeld, so, so. Das sieht Ihnen ähnlich, reine Zeitverschwendung! Dabei ist doch sonnenklar, Sie müssen ins Zentrum des Falls! Mein Schwager hat mir erzählt, dass es da eine junge, hübsche Witwe gibt, die womöglich so einiges erbt! Da müssen Sie ansetzen!«
»Und wie stellen Sie sich das konkret vor, Vice Questore?« Doch Pavarottis Versuch, seinen Vorgesetzten mit dessen eigener Idee in die Enge zu treiben, scheiterte kläglich. Er hätte wissen müssen, dass der Vice Questore verbal nicht zu packen war.
»Woher soll ich das wissen? Freunden Sie sich mit ihr an, oder versuchen Sie es auf die harte Tour! Wie auch immer, bleiben Sie an der Frau dran, bis Sie sie weichgekocht haben, verstanden! Oder schleusen Sie halt irgendeinen Ihrer Mitarbeiter, den keiner kennt, als Hausgast ein, wenn’s nicht anders geht!
Pavarotti hörte ein zischendes Geräusch aus dem Hörer. Briboni hatte sich offenbar gerade eine seiner teuren Zigarren angezündet und feierte den anstehenden Niedergang seines meistgehassten Mitarbeiters. Wenn sein Hirn mit Nikotin versorgt war, lief der Vice Questore meistens zur Hochform auf.
»So, das müssten doch fürs Erste genügend Ideen für Sie sein. Eine davon umzusetzen müssten sogar Sie schaffen. Und das sollten Sie auch, weil Sie sonst die längste Zeit Commissario gewesen sind. Sie haben genügend schlechte Beurteilungen in Ihrer Akte. Insbesondere die letzte, die psychologische, ist äußerst aufschlussreich«, sagte Briboni genüsslich. »Dass Sie mit ganz normalen Leuten in einer durchschnittlichen Südtiroler Gemeinde nicht zurechtkommen, ist das beste Beispiel für Ihre mangelhafte Sozialkompetenz. Dass Sie als Commissario eine Fehlbesetzung sind, können dann auch Ihre bisherigen Förderer nicht mehr leugnen. Also, Pavarotti, schauen wir mal!«
Pavarotti hörte noch ein leises Kichern, dann war die Leitung tot. Er fühlte sich schwach, und seine Hand zitterte leicht. Vorsichtig legte er das Mobiltelefon vor sich auf den Tisch und wischte sich die Hände an der Hose ab. Dann stützte er den Kopf in die Hände. Es gab nur eine Möglichkeit, und die bedeutete, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Aber was sollte er machen, es ging nicht anders.
* * *
Das abendliche Kurkonzert war ein voller Erfolg, zumindest gemessen am Andrang. Der Musikpavillon des Kurparks war bis auf den letzten Platz besetzt. Trotz der flachbrüstigen Mittvierziger-Sopranistin, deren stimmliche Qualitäten nur mit viel Wohlwollen als durchschnittlich durchgehen konnten. Lissie fand, dass der an die Scheiben trommelnde Regen, der melodisch im Wechsel an- und wieder abschwoll, völlig zu Unrecht durch die schrill vorgetragenen Mozart-Arien zur Begleitmusik degradiert wurde.
Wo blieben eigentlich die angekündigten Verdi-Stücke? »Così fan tutte« und »Die Zauberflöte« waren nun wirklich nicht ihr Fall. Schmierenkomödiantentum und endlose Manieriertheiten ohne echte Leidenschaft. Punkt. Jetzt hatte sie es Mozart aber gegeben.
Nachdem Lissie, die selbst keinen Ton halten konnte, ihren gedanklichen Kreuzzug gegen das Genie der Musikgeschichte beendet hatte, fielen ihr erschöpft die Augen zu.
»Das soll wohl ein Nickerchen werden«, ertönte es plötzlich dicht an ihrem rechten Ohr. Sie fuhr hoch. »Zum Schlafen haben wir jetzt keine Zeit. Was machen Sie eigentlich bei einem Kurkonzert? Doch wohl nicht ganz Ihr Stil, oder?«
»Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, gießt es. Die Kneipen sind alle voll. Spionieren Sie mir nach, anstatt Ihren Job zu machen?«
Pavarotti seufzte. »Schließen wir einen Waffenstillstand. Wir drehen jetzt mal in Ruhe eine Runde und ich erkläre Ihnen, was ich von Ihnen will. Hinterher können Sie mich ja wieder in die Zange nehmen, wenn Sie sich dann besser fühlen.«
»Eine Runde drehen – bei dem Wetter?«
Als Antwort zerrte Pavarotti mit hörbarem Geraschel einen riesigen Stockschirm nach vorn. Die Sängerin und einige Zuhörer blickten bereits irritiert in seine Richtung. »Nun machen Sie schon!«
Lissie rappelte sich mühsam hoch.
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