Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
bezogene Sitzecke, die vor dem Terrassenfenster platziert war. Flatscreen-Fernseher auf einem undefinierbaren Möbel, das nach Minibar aussah. Lissie ließ den Koffergriff los und schaute erwartungsvoll ins Bad. Marmorfliesen in Rosé-Weiß, riesiger Spiegel, vergoldete Armaturen. Die Räume waren für ihren Geschmack zu sehr im alpenländischen Stil eingerichtet. Gnadenlos verkitscht, weniger Schnörkel und mehr Stil wären besser gewesen. Doch dann zügelte sie sich. Nach ihrem Kurzaufenthalt im Nikolausstift war das nun wirklich Meckern auf hohem Niveau.
Mit dem Fuß stieß Lissie ihren ungeöffneten Koffer unter den Schreibtisch und öffnete die Minibar. Alle Achtung, war die bestückt. Sie ging, mit einem Piccolo Moët & Chandon und einem Champagnerglas ausgerüstet, zum gekippten Terrassenfenster hinüber und zog die Vorhänge beiseite. Reglos blieb sie ein paar Minuten dort stehen, hingerissen von dem Anblick, der sich ihr bot. Vor Kurzem hatte der Regen nachgelassen, und jetzt kam unerwartet kräftig die Sonne heraus. Die Sonnenwärme zauberte aus den noch feuchten, tropfenden Weinbergen fedrige Dunstschwaden hervor. Am Rande von Lissies Blickfeld kündigte sich mit einem lauter werdenden Surren die nächste Seilbahnkabine vom Küchelberg in Richtung Talstation an. Die leere Kabine sauste vorbei. Dann war es wieder still. Lissie nippte an ihrem Schampus und hing ihren Gedanken nach.
Sie hatte anfangs wegen des Umzugs Bedenken gehabt. »Aber die haben einen Trauerfall. Sind Sie sicher, dass da geöffnet ist?«
»Das Hotel ab morgen schon«, antwortete der Commissario. »Das Restaurant ist geschlossen, für Auswärtige. Die Hausgäste kriegen Frühstück und abends was Kaltes auf den Tisch, und Ihren geliebten Roten wird man Ihnen auch ausschenken. Also nichts wie hin mit Ihnen. Außerdem gibt es ohnehin nur Gerede, wenn wir zwei im Nikolausstift wohnen und immer wieder zusammenhocken.«
Lissie hatte eine Augenbraue hochgezogen. Sie glaubte keine Sekunde an ein derartiges Gerede. Allein der Gedanke an Zärtlichkeiten mit diesem Koloss war grotesk. Aber dann gewann ihre Gutmütigkeit die Oberhand. Ich will mal nicht so sein, tut ihm sicher auch mal gut, dachte sie und verzog den Mund zu einem anzüglichen Grinsen.
»Pfui, was für eine schmutzige Phantasie! Das, was Sie denken, hab ich nicht gemeint«, griente Pavarotti sichtlich geschmeichelt zurück. »Aber jeder weiß, dass die Elsbeth ihre Gäste ausspioniert. Und da es sich bei den paar Alten, die sie noch kriegt, kaum lohnt, wird sie bei Ihnen nicht mehr zu halten sein.« Unwillkürlich senkte Pavarotti die Stimme und beugte sich vor, obwohl sie mutterseelenallein waren. »Es würde sich überhaupt nicht vermeiden lassen, dass sie ein paar Brocken aufschnappt, wenn wir uns unterhalten. Das posaunt die Hochleitnerin dann in Windeseile in Meran herum. In dem Fall können wir uns Ihre verdeckte Ermittlung abschminken. Sie ziehen aus und Schluss.« Pavarotti hatte mit der flachen Hand auf den Stehtisch geschlagen, dass die Grappaflasche gewackelt hatte.
Lissie nahm einen großen Schluck von ihrem Moët. Inzwischen war er lauwarm und schmeckte abgestanden. Sie war froh, dass sie das kurze Gespräch mit der Pensionswirtin hinter sich gebracht hatte. Natürlich hatte sie sofort angeboten, für die volle Woche zu bezahlen, was die Hochleitnerin mit einem ungnädigen Nicken zur Kenntnis genommen hatte. Trotzdem war Lissie der überstürzte Auszug mehr als peinlich gewesen. »Ich hatte Ihnen doch aber schon bei der Buchung gesagt, dass wir kein Zimmer mit Bad haben«, hatte die Frau spitz gesagt. Der Satz war am Schluss deutlich spürbar in der Luft hängen geblieben. Die hat genau gewusst, dass das fehlende Bad auf dem Zimmer nicht der wirkliche Grund ist, dachte Lissie und krümmte sich innerlich. Ohne besonderen Anlass unhöflich zu sein war ihr zuwider. Es erinnerte sie unangenehm an die Proleten im Frankfurter Finanzdistrikt, mit denen sie sich keinesfalls in eine Reihe stellen wollte. Die banden sich morgens mit dem Armani-Schlips gleich ihr schlechtes Benehmen für den ganzen Tag um.
Sie fasste sich an den Hals. Auch ohne in den Spiegel zu schauen, wusste sie, dass sie wieder einmal rote Flecken bekam. Es juckte ekelhaft, und sie fing automatisch an, die Haut an ihrem Blusenausschnitt zu kratzen. Zu spät fiel ihr ein, dass sie Schampus nicht gut vertrug, und schon gar nicht auf fast nüchternen Magen. Doch das gute Zeug wegzuschütten, das kam
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