Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
auf ihre leere Kaffeetasse hinunter, die sie mit beiden Händen umfasst hielt. Sie zögerte. »Also, er säuft. Und zwar in letzter Zeit immer mehr. Angefangen hat das aber wohl schon vor vielen Jahren.« Schnell blickte sie zu Pavarotti hinüber, dann starrte sie wieder an ihm vorbei.
»Außerdem hab ich munkeln hören, dass die Felderers gar nicht mehr so reich sein sollen, wie man immer meint. In letzter Zeit sind wohl ein paar Rechnungen ein bissel spät bezahlt worden. Da fangen die Leut gleich boshaft an zu reden. Aber das muss nichts heißen. Vielleicht war das mit den Rechnungen auch Absicht.« Sie hob die schmalen Schultern. »Die Reichsten sind ja immer die Geizigsten und zahlen nur, wenn’s nimmer anders geht, weißt du ja selbst.«
Pavarotti war blass geworden. Familiengeheimnisse. Wie er die hasste.
Elsbeth musterte ihn scharf. »Es ist ja nicht gesagt, dass die Sach was mit seinem Sohn zu tun hat. Aber man kann ja nie wissen. Deshalb erzähl ich es dir.« Sie stand auf. »Ich geh dann mal zurück in die Pension. Fehlt dir noch was auf dem Zimmer?«
Pavarotti schüttelte bloß den Kopf.
Er sah ihr nach. Das Gespräch mit Elsbeth Hochleitner hatte seine Niedergeschlagenheit und das Gefühl der Unzulänglichkeit noch verstärkt. Wie sollte er in dem Fall bloß vorwärtskommen?
Er stemmte sich mühsam hoch, um zum Bezahlen nach drinnen zu gehen, da klingelte sein Mobiltelefon. Als er die Nummer auf dem Display sah, verdrehte er die Augen. Mit wachsendem Unbehagen drückte er auf die Empfangstaste.
»Ich hätte mir eigentlich denken können, dass ich wieder hinter Ihnen hertelefonieren muss, Pavarotti!«, tönte es ungnädig an sein Ohr. »Habe ich nicht angeordnet, dass Sie mir sofort Bericht erstatten sollen, sobald Sie sich einen ersten Überblick verschafft haben? Oder muss ich Ihre Funkstille so interpretieren, dass Sie nach …«, die Stimme machte eine wirkungsvolle Kunstpause, »hrrrm, jetzt ist es kurz nach fünf Uhr nachmittags, dass Sie also nach einem vollen Tag vor Ort immer noch keinen Überblick über die Situation haben?«
»Vice Questore Briboni, ich –«
»Unterbrechen Sie mich gefälligst nicht! Mein Schwager hat mich eben angerufen und sich bei mir beschwert, dass er in die unmittelbaren Ermittlungen eingreifen musste, damit es vorangeht! Er hat sogar selbst die Leiche identifizieren und die Familie informieren müssen, weil Sie offenkundig nicht in der Lage waren, die notwendigen Schritte zu unternehmen!«
Pavarotti brachte vor Zorn kein Wort heraus. Sein Atem ging hart und stoßweise; kleine Fünkchen begannen vor seinen Augen hin und her zu tanzen. Ihm war plötzlich übel. Der Kaffee, den er eben noch mit Genuss getrunken hatte, stieß ihm sauer auf. Mit Müh und Not tastete er sich zurück zu dem Gartentisch, an dem er mit der Hochleitnerin gesessen hatte, und ließ sich auf den Stuhl zurücksinken.
Einen Moment war Pavarotti versucht, das Telefon gegen die Hauswand zu schleudern, damit das blecherne Gequake, das aus dem Hörer drang, endlich aufhörte, aber er konnte sich gerade noch beherrschen. Er begann, tief und gleichmäßig zu atmen, um seinen Magen wieder unter Kontrolle zu bringen. Währenddessen meckerte die Stimme in einem fort weiter.
»… und dann hat er sich ganz generell über Ihre beinahe schon chronische Erfolglosigkeit in Meran beklagt. Lieber Kollege, so kann das mit Ihnen nicht weitergehen!«
Pavarotti atmete noch einmal tief ein, damit ihm seine Stimme wieder gehorchte. Schon im Reden merkte er, wie ungeschickt und hilflos sein Versuch klang, sich gegen die Vorwürfe zur Wehr zu setzen. »Vice Questore, Sie wissen doch genau, wie die Leute sich hier gegenüber einem Fremden wie mir verhalten. Entweder sie lügen oder sie schweigen!« Er beschloss, einen Vorstoß zu wagen. »Wenn ich bei allem Respekt einen Vorschlag machen dürfte: Bitten Sie doch Ihren Schwager, meinen Meraner Kollegen aus seiner Schulung zurückzurufen. Er hat als Einheimischer ganz andere Möglichkeiten, zu den Leuten hier vorzudringen!«
Verblüfftes Schweigen. Einen Moment war Pavarotti fast geneigt, zu glauben, der Vice Questore würde ernsthaft über seine Idee nachdenken. Aber der brauchte bloß einen kurzen Anlauf, um seine Empörung über diesen renitenten Vorschlag so richtig hochzuschrauben.
»Was fällt Ihnen ein, das ist ja wohl die Höhe! Wenn ich Sie richtig verstehe, soll jetzt sogar noch ein Kollege mit beruflichem Potenzial, der sich weiterbilden will, Ihre
Weitere Kostenlose Bücher