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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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zierten neben eitrigen Mitessern zwei tiefe Kratzer. Sie waren verdreckt und bluteten, und das Blut vermischte sich mit der gelblichen Masse aus ein paar aufgeplatzten Pickeln. Lissie brauchte einen Moment, um sich zu überwinden. Dann betupfte sie vorsichtig mit einem Taschentuch die Wunden, um sie vom schlimmsten Dreck zu befreien, und sprühte mit einem lautlosen Seufzer eine ordentliche Portion Chanel No. 5 aus ihrem Taschenflakon drauf.
    Der Junge verzog das Gesicht, hustete und räusperte sich. »Danke«, wiederholte er heiser, aber hörbarer als zuvor.
    »Haben Sie schon die Polizei angerufen?«, fragte Lissie den älteren Mann, der neben dem Jungen in die Hocke gegangen war und eine Thermoskanne aufschraubte.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Hier ist kein Funkempfang. Und ich wollte unseren Salto-Künstler nicht allein lassen. Deshalb bin ich froh, dass Sie angehalten haben. Das Auto vor Ihnen ist einfach vorbeigefahren, einer hat dabei aus dem Fenster fotografiert, können Sie sich das vorstellen?«
    Lissie konnte. Wahrscheinlich war der Typ gerade dabei, sein tollstes Urlaubsfoto bei Facebook hochzuladen. Sie verdrehte die Augen und tauschte mit dem Mann einen Blick. »Dann zieh ich jetzt los. Bestimmt ist der Empfang in ein paar Kilometern besser, und dann rufe ich sofort die Polizei an.« Sie wühlte in ihrer Tasche nach einer Visitenkarte. »Hier, falls noch irgendetwas ist, da steht auch meine Handynummer drauf.« Dann berührte sie die eiskalte Hand des Jungen mit ihren Fingerspitzen. »Alles Gute. Wird schon wieder. Ist ja noch mal gut gegangen.«
    Der Kleine grinste tapfer und machte mit zitternden Fingern das V-Zeichen.
    So ein junger Kerl in Saft und Kraft, und trotzdem ganz schnell tot, dachte Lissie und fuhr mit deutlich gedrosseltem Tempo weiter. Nach drei oder vier Kilometern kam ein Zwiebelturm in Sicht. Sie hatte St. Martin im Passeiertal erreicht, den letzten größeren Vorposten auf der Strecke nach Meran. Auf dem Platz vor der Tourist Information waren reichlich Parkplätze frei. Lissie stieg aus und atmete tief ein. Die Luft war schwer und mild. Trotzdem war ihr jetzt kalt, der getrocknete Schweiß prickelte unangenehm auf der Haut.
    Auf dem Glaskasten, der eine Panoramakarte der Umgebung und allgemeine Informationen enthielt, glänzten die von Hunderten von Touristen hinterlassenen Fingerabdrücke fettig in der Nachmittagssonne. Sie hauchte auf das Glas und wischte mit dem Handrücken drüber, damit sie die Telefonnummer des Notrufs entziffern konnte. Als sie den Unfall gemeldet hatte, blieb sie unschlüssig stehen und lehnte sich an ihren Wagen.
    Lissie war auf einmal ganz benommen. Sie gähnte heftig. Aber der Druck in ihren Ohren ging nicht weg. Warum machte ihr der Unfall bloß so zu schaffen? Der Junge war doch mit dem Schrecken davongekommen. Er konnte eigentlich nicht der Grund für ihre zunehmende Niedergeschlagenheit sein.
    Lissie starrte den vorbeifahrenden Autos hinterher. Sie schaute auf ihre Uhr. Kurz nach zwölf. Sie hatte es fast geschafft. Es war jetzt nicht mehr weit, höchstens noch eine Stunde zu fahren. Liebend gern hätte sie weitere sechs Stunden gehabt. Noch lieber wäre sie auf der Stelle wieder umgedreht. Ihre Meran-Reise war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Was sollte es schon bringen, wenn sie ihre neuesten Probleme verdrängte, indem sie die alten wieder aufwärmte?
    Klassischer Fall von Verschlimmbesserung. Aber dann verscheuchte Lissie energisch ihre unguten Ahnungen und den steigenden Druck in ihren Gehörgängen. »Jetzt ist es eh zu spät, jetzt muss ich da durch, also los, auf geht’s, du Memme«, murmelte sie, und setzte sich hinter das Steuer. Mit quietschenden Reifen schoss sie vom Parkplatz.
    * * *
    Elsbeth Hochleitner lehnte sich weit aus dem Küchenfenster, um ihrem Enkel, der auf dem Fahrrad durch das Hoftor kurvte, eine Ermahnung zuzurufen. »Justus, stell dein Rad bitte gleich im Keller ab, wir kriegen heute noch eine Neue aus Deutschland. Die braucht wahrscheinlich den Stellplatz für ihren Wagen!« Für ihren Kleinwagen hoffentlich, setzte sie im Stillen nach. Der Hof ihrer Pension bot gerade mal für drei mittelgroße Autos Platz. Gäste, die mit dem Auto anreisten, waren permanent am Herumjammern, weil sie fürchteten, dass ihr Wagen eine Schramme abkriegen könnte. Die mit dem Zug kamen, waren ihr lieber.
    Gut, dass die meisten ihrer Gäste sowieso noch nie hinter dem Steuer eines Autos gesessen hatten. Elsbeth holte die alten Damen

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