Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
hatten. Leider waren seine eigenen Ergebnisse ebenfalls null. Hoffentlich förderte das Gespräch mit diesen italienischen Geschäftspartnern der Felderers endlich einen Hinweis zutage, sonst konnte er einpacken.
Mühsam richtete sich Pavarotti auf und versuchte, die zahlreichen Drucke von Gustav Klimt zu ignorieren. Er war kein Kunstkenner und hatte zu den meisten Malern und ihren Werken keinerlei Meinung, aber Klimt hasste er. Dass dieser Gnom aus Wien so viel Erfolg bei Frauen gehabt haben sollte, entzog sich seiner Vorstellungskraft. Man sehe sich doch bloß an, was für obszöne, willenlose Leiber der Mann seinen Modellen, mit denen er vorzugsweise auch noch schlief, angehängt hatte. Pavarotti stellte sich vor, wie Klimt die Frauen beim Beischlaf abtastete, um zu probieren, ob da etwas für sein nächstes Bild dabei war. Pavarotti fand, dass das Ganze an Körperverletzung grenzte.
Verstehe einer die Frauen. Vielleicht hatte Klimt ihnen eingeredet, mit seiner Zurschaustellung ihrer willfährigen Körper helfe er ihnen, ihre Sexualität zu akzeptieren. Damals, zu Zeiten von Freud, hatte sich in Wien in bestimmten Kreisen vermutlich alles um schwüle Sextheorien gedreht. Als ob Sex die einzige menschliche Triebfeder wäre. Lachhaft. Lissie von Spiegel hatte hierzu bestimmt ihre eigene Theorie, vermutlich eine ziemlich bissige. Wo steckte sie eigentlich?
Gestern Abend war sie unauffindbar gewesen. Er hatte ihr schließlich im Hotel eine Nachricht hinterlassen, und heute Morgen dann noch eine. Ihr Zimmerschlüssel war nicht an der Rezeption gewesen. Die Dame am Empfang glaubte sich auf seine hartnäckigen Fragen hin zu erinnern, Lissie im Frühstücksraum gesehen zu haben. So richtig überzeugend hatte sie aber nicht geklungen.
Pavarotti beschlichen Gewissensbisse. Er hätte Lissie nie in die Ermittlung einbeziehen dürfen. Die Deutsche war nun mal keine geschulte Kriminalistin, sondern steckte ihre Nase hemmungslos in alles, was sie interessierte, ohne die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Egal, ob ein Mörder frei herumlief. Er hoffte inständig, dass ihr nichts passiert war.
Direkt über dem Tresen wölbte sich ihm ein grotesk aufgeblähter Leib aus einem der Gemälde entgegen. Klimt hatte die Schwangere im Profil und stehend gemalt. Der Commissario runzelte die Stirn. Bei dem gewaltigen Bauch müsste die Frau eigentlich vornüberkippen, dachte er. Pavarotti blickte an sich herunter. Wäre es um seinen Wanst gegangen, er hätte dem Maler mit Sicherheit einen anständigen Kinnhaken verpasst, statt bloß dazustehen. Vielleicht war Klimt ja aus gutem Grund an einem Gehirnschlag gestorben, sinnierte er. Eine der Damen hatte möglicherweise die Nase voll gehabt und ihm in einem unbeobachteten Moment eins übergebraten.
Er versuchte die rosa-goldene Fleischbeschau abzuschütteln und blickte in Richtung Tür, in der sein Gesprächspartner hoffentlich pronto erscheinen würde.
Schritte erklangen auf dem Flur. Pavarotti stand auf und schaute hinaus, um sich bemerkbar zu machen. Er sah aber nur einen alten Kellner, der an ihm vorbeischlurfte. Pavarotti rief ihm hinterher, um etwas zu bestellen, wurde aber keines Blickes gewürdigt. Der Alte hielt noch nicht einmal inne. Im Gehen produzierte er Geräusche auf dem Parkettboden. Klack, klack-klack, klack, klack-klack. Es klang, als ob sich das Faktotum auf seine alten Tage in Steppschuhe gezwängt hätte, um Reminiszenzen an frühere Heldentaten auf dem Tanzboden heraufzubeschwören. Klack, klack-klack. Als ob sich Fred Astaire den Fuß verstaucht hätte. Wie Fred sah der Alte aber ganz und gar nicht aus. Nicht die geringste Chance bei Ginger Rogers.
Den Cappuccino, den er dringend nötig hatte, konnte er sich wohl abschminken. Pavarotti schnaubte. Wenn er es schaffen würde, die Renitenz der Meraner genauso erfolgreich zu ignorieren wie dieser Typ die Bestellungen seiner Gäste, dann würde aus ihm vermutlich ein glücklicherer Mensch. Diese Geisteshaltung war ihm aber nicht gegeben. Er ging zurück in die Bar und setzte sich wieder hin.
Plötzlich war es vorbei mit der Klackerei. Auf dem Flur ertönte eine herrische Stimme, die unzweifelhaft einem Landsmann Pavarottis gehörte. » Due cappuccini, per favore. Ins Schreibzimmer bitte. Ein Signore erwartet uns.«
Pavarotti seufzte. Die Tür wurde ungestüm aufgerissen und knallte gegen die Wand. Zwei hochgewachsene Männer kamen auf ihn zu. Einen davon schätzte Pavarotti auf Anfang siebzig, der andere
Weitere Kostenlose Bücher