Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
noch was, Bruderherz? Brauchst du eine Sondereinladung, ranzugehen? Ich hab schließlich nicht den ganzen Tag für ein Palaver mit meinem Lieblingsbullen Zeit!«
Pavarotti seufzte lautlos und bewegte seine massige Gestalt in einen kleinen an den Sparkassenplatz angrenzenden Hinterhof, um ungestört reden zu können. Das Gespräch würde wieder einmal unerfreulich werden, was auch immer es war, das ihm seine Schwester mitzuteilen hatte.
»Was gibt’s?«, versetzte er kurz angebunden.
Aus dem Hörer war nur das Rascheln von Papier zu vernehmen.
»Editha, hör auf, es spannend zu machen! Du wirst ja wohl noch wissen, weswegen du mich anrufst!«
Editha kicherte. »Ich habe mir nur gerade überlegt, was mein Bruder, der große Detektiv Poirotti, mit unseren Arbeitsergebnissen anfangen wird.«
Pavarotti wartete schicksalsergeben. Seine Schwester befand sich offensichtlich bereits mitten in ihrer üblichen, ganz speziellen Dramaturgie. Irgendeine Verzögerungstaktik benutzte sie fast immer, bevor sie wichtige Informationsfitzelchen herausrückte. Das Ganze war mittlerweile zwanghaft, geradezu abnorm.
Aus dem Hörer knisterte und knirschte es. Dann gluckerte etwas. Anscheinend wurde Flüssigkeit in ein Glas gegossen. Pavarotti verdrehte die Augen. Er hörte, wie seine Schwester geräuschvoll schlürfte. Dann drang ihre Stimme wieder durchs Telefon, reichlich verschliffen, als ob ihre Zunge plötzlich ein halbes Pfund zugenommen hätte. Was hatte Editha da bloß gerade zu sich genommen – womöglich reinen Alkohol? Oder haschte sie jetzt auch noch?
»Es geht um die Farbspuren. Diese Farbspuren in der Wunde. In der Kopfwunde von Karl Felderer«, mühte Editha sich ab. »Das Labor in Bozen hat mir gerade die Ergebnisse gefaxt. Sehr merkwürdig. Es handelt sich um Blattgold, feine Abreibungen von Blattgold.«
Und plötzlich war sie wieder ganz die Alte. »So! Das Labor hat erstklassige Arbeit geleistet. Leider völlig umsonst, weil du ahnungsloser Watson damit bestimmt nichts anfangen kannst. Deshalb wünsche ich auch nicht viel Erfolg, sondern weiter viel Spaß bei den Ermittlungen.«
Dem Commissario riss die Hutschnur. Sein Geduldspotenzial war aufgebraucht. Er beschloss, dass hier und jetzt die passende Gelegenheit war, dieses überdrehte Weib an die Wand zu nageln.
»Denk gar nicht daran, jetzt aufzulegen, Editha, sonst komm ich zu dir in die Gerichtsmedizin und lasse den Staatsanwalt an unserer Unterhaltung teilhaben. Und hör auf mit deinen Fisimatenten und Ausflüchten. Du hast mir Informationen unterschlagen. Das wiegt bei dir als Beamtin im Staatsdienst besonders schwer. Und damit ist jetzt Schluss! Wenn nicht, dann werde ich das melden. Also entscheide dich!«
»Ich verstehe nicht. Was willst du noch?«, herrschte ihn Editha an. Ihr Ton änderte sich aber ziemlich schnell, als Pavarotti ihr unmissverständlich klarmachte, dass er über ihre Freundschaft mit Greta Niedermeyer genau Bescheid wusste.
»Und jetzt pack endlich aus, meine Liebe! Du dürftest ja wissen, dass der Mann deiner Freundin unter Mordverdacht im Knast sitzt. Wenn du mir weiterhin wichtige Informationen vorenthältst, kannst du die Nacht auf Staatskosten in Beugehaft verbringen. Und da gibt es bestimmt keinen Schlummertrunk für dich, darauf kannst du deinen dürren Arsch verwetten!«
Am Ende wirkten Drohungen bei Editha immer. Vordergründig machte sie einen fast schon übertrieben selbstbewussten Eindruck. Wenn es aber jemand darauf anlegte, sie einzuschüchtern, knickte sie schnell ein. Edithas Selbstwertgefühl hing erheblich von der guten Meinung anderer Leute ab.
Gerade noch rechtzeitig merkte er, dass Editha wieder begonnen hatte zu sprechen. »… ihr schon seit Wochen gesagt, sie soll das beenden. Das war echt krass und hatte mit normalem Sex nicht mehr das Geringste zu tun.«
»Wovon sprichst du?«
Sie zögerte. Offenbar widerstrebte es Editha wirklich, die intimen Angelegenheiten ihrer Freundin vor der Polizei auszubreiten. Pavarotti hatte nicht gedacht, dass seine Schwester überhaupt wusste, was Loyalität bedeutete. Er hatte sie immer für eine ausgemachte Egoistin gehalten. Anscheinend hatte er ihr unrecht getan.
Nach einigen gezielten Nachfragen kam die Wahrheit über die Beziehung zwischen Karl Felderer und Greta Niedermeyer ans Licht. Offenbar hatte Felderer seine Geliebte immer wieder unter Alkohol gesetzt und sie dann mit Schmeicheleien und Einschüchterungen dazu gebracht, sich von ihm in pornografischen Posen
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