Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Und woher hast du diese bahnbrechende Erkenntnis? Hat dir das etwa dein Flaschengeist gestern Abend zugeflüstert?«
Lissie warf ihm einen scharfen Blick zu und berichtete von ihrem feuchtfröhlichen Gelage mit der Witwe Felderer, dem sie ihren ramponierten Zustand zu verdanken hatte.
»Die Louisa weiß über die Greta Niedermeyer ganz gut Bescheid, so wie man sich halt unter den Frauen der Meraner Geschäftsleute kennt. Die sehen sich ziemlich oft, da gibt es einiges an Marketing-Aktionen, an denen die Frauen teilnehmen. Und dann immer mal wieder Gala-Abende mit dem Bürgermeister«, erzählte Lissie. »Anscheinend war es ein offenes Geheimnis im Verband, dass die Greta von ihrem Mann kaum noch zur Kenntnis genommen wird. Deswegen hat sie auch ständig eine Leidensmiene zur Schau getragen.«
Greta, immer schon eine graue Maus, sei immer verhuschter und fahriger geworden, je weniger ihr Mann sich um sie kümmerte.
»Sie hat sich total vernachlässigt gefühlt. Kein Wunder, dass sie sich von Felderer hat herumkriegen lassen«, sagte Lissie. »Aber aus Felderers Sicht verstehe ich die Sache nicht. Die Greta Niedermeyer ist doch nun wirklich nicht sein Beuteschema.«
Pavarotti grinste. »Das musst du ja am besten wissen«, spöttelte er.
Doch Lissie winkte bloß lässig ab. »Ich konstatiere nur das Offensichtliche. Übrigens sollen die einzigen Eifersuchtsgefühle Niedermeyers mit Felderers geschäftlichem Erfolg in Meran und mit dessen prominenter Stellung im Verband zusammenhängen. Alle wissen, dass den Niedermeyer der Neid auffrisst. Sagt jedenfalls die Louisa.«
Pavarotti wackelte anerkennend mit dem Kopf. »Na wenigstens hast du deine Gesundheit gestern nicht ganz umsonst ruiniert. Was du da erzählst, bedeutet aber überhaupt nicht, dass unser Schuhhändler aus der Sache raus ist. Eher das Gegenteil, finde ich.«
Lissie wiegte langsam ihren Kopf hin und her. »Schon, aber hinter der Angelegenheit steckt noch mehr, als du bis jetzt weißt«, sagte sie und setzte eine geheimnisvolle Miene auf. »Das Beste hab ich dir nämlich noch gar nicht erzählt!«
Pavarotti beugte sich vor und warf dem Kellner einen finsteren Blick zu. Der stand immer noch in Hörweite und tippte irgendwas in sein Handy. Oder tat zumindest so. »Dann schieß los, aber leise, wenn ich bitten darf!«
Genüsslich ließ Lissie die Katze aus dem Sack. Louisa Felderer hatte vor ein paar Tagen obszöne Nacktfotos von Greta Niedermeyer in Karls Schreibtisch gefunden. Auch wenn sich Karl Felderer schon vorher keine sonderliche Mühe gegeben hatte, seiner Ehefrau den treuen Gatten vorzuspielen, war Louisa richtiggehend geschockt gewesen. Diese Aufnahmen hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Erstens wegen Greta. Touristinnen könne sie ja noch einigermaßen wegstecken. Die führen ja am Ende wieder weg. Aber die Frau eines Verbandskollegen, das gehe zu weit.
»Louisa war furchtbar zornig, weil sie wusste, dass alle über sie und Klaus lästern, wenn das rauskommt«, erzählte Lissie. »Und außerdem, die Fotos selbst sind anscheinend ziemlich ekelhaft. Greta hat offenbar nicht so ausgesehen, als würde sie die Sache genießen, sondern furchtbar ängstlich in die Kamera geschaut, wie ein gerupftes Huhn.« Lissie pausierte kurz. »Louisa hat beschlossen, mit Greta zu reden und ihr die Aufnahmen zu geben, damit die nicht in falsche Hände geraten. Und dann wollte sie ihren Mut zusammennehmen und Karl zur Rede stellen.«
Doch an dem Morgen, an dem Louisa ihren Plan in die Tat umsetzen wollte, seien die Fotos auf einmal weg gewesen.
»Das war am Morgen nach dem Mord, kurz bevor du bei den Felderers warst«, konkretisierte Lissie. »Und diese kompromittierenden Fotos, die sind doch Beweis genug, dass es bei dieser netten Dreiecksgeschichte um mehr geht, als wir bisher angenommen haben!«
Pavarotti war nachdenklich geworden. Mit der Wirkung ihres Berichts offenbar hochzufrieden, verschränkte Lissie die Arme und schaute ihn herausfordernd an. Gerade öffnete sie den Mund, vermutlich um ihm weitere bahnbrechende Neuigkeiten mitzuteilen, da läutete sein Handy.
Pavarotti blickte auf das Display. Editha. Er hatte nicht vor, dieses Telefonat in Lissies Anwesenheit zu führen. Ohne sich mit Erklärungen aufzuhalten, stürmte er zur Tür.
Als Pavarotti schon die Klinke in der Hand hatte, flog die Tür auf, und eine Gruppe von Touristen strömte in die Bar. Nachdem er es endlich nach draußen geschafft hatte, nahm er das Gespräch an.
»Wird das
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