Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
Ispettore?»
    «Ich brauche ein
Kleid», sagte Bossi, «eine blonde Perücke und ein
Paar Schuhe.» Seine Stimme hörte sich plötzlich
heiser an, was weniger daran lag, dass ihm die Situation peinlich
war, sondern an der ihn völlig überraschenden
Feststellung, dass es ihn auf einmal reizte, ein Kleid zu tragen.
    Riccardi hob wieder
die linke Augenbraue. «Wäre es nicht besser, wenn die
Signora persönlich vorbeikommt?»
    Bossi atmete tief ein,
dann schüttelte er den Kopf. «Ich brauche das Kleid
für mich selbst», erklärte er kühn. Und da es,
nachdem er es ausgesprochen hatte, nun wirklich nicht mehr darauf
ankam, fügte er gleich hinzu: «Außerdem eine
blonde Perücke und Schuhe in meiner
Größe.»
    Himmel! Hatte er das
wirklich gesagt? Ich brauche ein Kleid für mich
selbst? Bossi fühlte, wie sich sein
Herzschlag beschleunigte, er rot wurde und ihm Schweiß von
der Schläfe auf den Kragen tropfte.
    Was Signor Riccardi
jedoch nicht zu bemerken schien. Er neigte nur höflich den
Kopf. «Hatten Sie etwas, äh, Bestimmtes im Auge,
Ispettore?»   
    Wie bitte?
Etwas Bestimmtes? Was konnte damit gemeint
sein? War das die Fangfrage, mit der Riccardi diejenigen erkannte,
die den Karneval dazu benutzen, um ein lange unterdrücktes
Bedürfnis auszuleben?
    Bossi räusperte
sich nervös. Seine blaue Dienstuniform fiel ihm ein und die
goldenen Knöpfe, die er so gerne putzte. «Ich dachte an
etwas Blaues mit goldenen Knöpfen», sagte er.
    Signor Riccardi
gestattete sich einen skeptischen Gesichtsausdruck. «Zu
blonden Haaren? Ich furchte ...» Er wiegte stirnrunzelnd den
Kopf und sah Bossi nachdenklich an.
    Der beschloss jetzt,
sich beraten zu lassen. «Und was würde besser zu blonden
Haaren passen?»
    Signor Riccardis
Antwort kam sofort. «Ein schwarzes Kleid,
Ispettore.»
    Das war einleuchtend.
Bossi musste unwillkürlich an die Principessa di Montalcino
denken, deren Lieblingsfarbe Schwarz war. Also ein schwarzes Kleid.
Aber ... was für ein Kleid?
    Über diesen Punkt
hatte Bossi bereits auf dem Weg zu Riccardi nachgedacht. Fest
stand, dass er weder ein aufwendiges Abendkleid noch eine
ausladende Krinoline mit kompliziertem Drahtgeflecht tragen wollte
— also nichts, worin er sich nicht frei bewegen konnte. Damit
lief es auf ein Promenadenkleid hinaus. Außerdem
wünschte er sich, dass seine schlanke Kavalleristentaille
betont würde. Die Hüftpartie, überlegte
er, ließe sich wahrscheinlich problemlos ein wenig
aufpolstern, und der fehlende Busen würde sich irgendwie
...
    Bossi schloss die
Augen und sah sich, blondhaarig und kokette Blicke abfeuernd, durch
ein Spalier glotzender Signori schreiten. Das Kleid, das er trug,
war aus schwarzglänzendem Taft, schmal in der Taille,
darüber und darunter gefällig ausgepolstert, sodass sich
der Sanduhreffekt ergab, den die Männer
schätzten.
    «Ich
möchte», sagte Bossi träumerisch, indem er wieder
die Augen öffnete, «ein tailliertes
Promenadenkleid.» Und setzte noch hinzu: «Aber
ein fesches.»
    O Gott. Was um Himmels
willen redete er da? Hatte sich das weibisch angehört? Was war
überhaupt mit ihm los? «Im Übrigen»,
fügte er hastig hinzu, wobei er versuchte, seiner Stimme einen
polizeilichen Klang zu geben, «bin ich dienstlich
hier.» 
    *
    Sie stand am Tresen,
hatte ein Glas in der Hand und betrachtete sich in dem großen
Spiegel an der Wand. Hin und wieder lächelte sie ihrem
Spiegelbild zu, drehte den Kopf kokett zur Seite und strich sich
mit der freien Hand über die blonden Haare. Das Kleid, das sie
trug, war ein schlichtes, hochgeschlossenes Promenadenkleid. Es war
schwarz — ebenso schwarz wie ihre über den Ellbogen
hinausreichenden Handschuhe. Ihr Profil war klassisch, gerade Nase,
hohe Stirn, ein kräftig, aber nicht zu kräftig
ausgebildetes Kinn, dazu eine schlanke, an den entsprechenden
Stellen ansprechend gerundete Figur.
    Sie gefiel ihm, und je
länger er sie betrachtete, desto mehr regte sich in ihm. Er
hatte sie jetzt seit einer Viertelstunde beobachtet und war sich
sicher, dass sie ohne Begleitung ins Rudolfo gekommen war. Was nur
bedeuten konnte, dass sie auf der Suche nach Anschluss war, ohne es
jedoch eilig zu haben.
    Um diese Zeit - es
hatte noch nicht einmal neun geschlagen - war das Rudolfe noch halb
leer. Zwei Dutzend Pärchen, alle mehr oder weniger
kostümiert, drehten sich auf der Tanzfläche zu einem
langsamen Walzer, gespielt von einem bemerkenswert schlechten
Salonorchester. Der Rest des Publikums saß entweder an

Weitere Kostenlose Bücher