Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
Ständig stehen sie dem Fortschritt im Weg!
Der Butler begrüßte Morton im Vestibül, als die Lifttüren aufglitten, und fing die Anzugjacke auf, die ihm entgegengeschleudert wurde. Morton stapfte ins Wohnzimmer und blinzelte gegen das grelle, wenngleich wunderschöne Licht der Abendsonne, das beinahe waagerecht durch die Fenster und über Pool und Garten hinweg in den Raum schien. Er sah Mellanie auf einer der Sonnenliegen, den Kopf in den Händen und mit hängenden Schultern.
Gütiger Himmel, nicht auch das noch, nicht jetzt! Er blickte sie finster an, als sie den Kopf hob. Sie lächelte ihn zaghaft an und eilte nach drinnen.
»Sir.« Der Butler brachte ihm seinen Gin Tonic.
»Danke.« Er nahm das Glas vom Silbertablett entgegen.
Mellanie hatte geweint, wie er nun erkannte, nachdem sie nicht mehr im grellen Sonnenlicht lag. »Was ist denn los?« Es war eine fast rhetorische Frage; die Antwort interessierte ihn nicht sonderlich.
Sie drängte sich an ihn und vergrub den Kopf an seiner Brust. »Ich war heute Morgen beim Training«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Der Trainer meinte, ich hätte nicht genügend Fortschritte gemacht und würde zu wenig trainieren. Er meinte, ich hätte keinen richtigen Ehrgeiz mehr.«
»Ah.« Ist das alles? , hätte Morton fast gefragt. Heutzutage interessierte sich alle Welt sowieso nur noch für Mannschaftssport. Nachdem die Genetiker des Commonwealth längst imstande waren, Superathleten für jede erdenkliche Sportart zu entwickeln, waren Einzelvergleiche sinnlos geworden, verkommen zu einem Wettbewerb zwischen Labors und Kliniken. Doch beim Mannschaftssport sah das anders aus. Mannschaftssportarten waren der Tempel der letzten natürlichen Talente. Beim Fußball, Baseball, Hockey und Cricket bildete das kombinierte Talent der gesamten Mannschaft eine Synergie, hinter die sich die Fans mit völliger Hingabe stellen konnten. Morton hatte Tauchen immer für einen ziemlich erbärmlichen Auswuchs eines speziellen Spektrums gehalten, dessen Bedeutung künstlich durch Sportartikel- und Sportmodenhersteller mit ihren Medienkanälen hochgehalten wurde, um die Verkäufe anzukurbeln. Doch das alles sagte er nicht. Stattdessen versuchte er, Mellanie zu trösten: »Er ist ein Arschloch. Mach dir deswegen keine Gedanken.«
Sie fing wieder an zu weinen. »Ich bin aus dem Kader geflogen.«
»Was?«
»Er hat mich aus dem Kader geworfen! Es war schrecklich, Morty. Er hat mich vor allen Leuten aus dem Kader geworfen! Er hat bereits zwei neue Mädchen mitgebracht.«
»Oh. Nun ja.« Morton tätschelte abwesend ihren Hintern und trank einen Schluck von seinem Gin. »Mach dir nichts draus. Du findest bestimmt was anderes. So ist das Leben.«
Mellanie löste sich ein Stück weit von ihm, damit sie sein Gesicht betrachten konnte. Ihr eigenes zeigte Verwirrung und Befremden. »Was? Morty, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Es ist vorbei für mich!«
»Ja. Ich hab’s gehört. Also suchst du dir etwas Neues. Es war sowieso allmählich an der Zeit. Du hast deine besten Jahre für diesen dämlichen Sport geopfert. Jetzt hast du Zeit, um endlich zu leben.«
Mellanies volle Lippen teilten sich zu einem leisen, untröstlichen ›Oh‹, während sie einen Schritt von Morton zurückwich. Dann wandte sie sich von ihm ab und rannte ins Schlafzimmer, und lautes Schluchzen erfüllte die Luft hinter ihr.
Morton seufzte resigniert, als die Tür mit lautem Knall ins Schloss flog. Was hat sie erwartet? Das ist das einzig wirklich Dumme mit den jungen Dingern. Sie haben keine Perspektive in Bezug auf das Leben. »Danke der Nachfrage!«, rief er laut hinter ihr her. »Und nein, ich hatte keinen besonders guten Tag, im Gegenteil!«
Sein E-Butler meldete, dass Chief Investigator Myo ihn zu sprechen wünschte. Morton trank einen weiteren tiefen Schluck. »Stell sie auf den Schirm im Wohnzimmer durch«, befahl er.
Selbst in der Vergrößerung auf mehrere Meter war Paula Myos Gesicht nahezu makellos. Während Morton sich in eines der Ledersofas sinken ließ, überraschte er sich dabei, wie er sie einmal mehr bewunderte. Jemand wie Paula, das wäre eine echte Partnerin. Sie wären gleichgestellt, was selten genug war, und würden sich ergänzen, anstatt miteinander zu konkurrieren. Wenn nur diese unheimliche Herkunft und dieses genetische Erbe nicht gewesen wären …
»Das ist unerwartet, Chief Investigator. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich benötige Zugriff auf eine Reihe von Finanzdokumenten, die
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