Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
ziehen, den Fall abzuschließen.«
Es war das erste Mal, dass Hoshe hörte, wie Paula Myo laut über eine Niederlage spekulierte, und es war eine schockierende Erfahrung für ihn. »Aber wie viele Motive kann es denn geben? Es muss ein zufälliger Mord sein. Wir wissen, dass es nichts Persönliches war und dass keine Firma, keine Politik und kein Geld dahinter gesteckt haben kann. Sie haben selbst gesagt, dass es Tara heute besser geht als damals. Wir werden es wahrscheinlich nie herausfinden, weil es in keiner Datei und keiner Erinnerung existiert …«
Er brach ab. Paula starrte an. Langsam breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Hoshe wünschte, es hätte nicht ihm gegolten. Es war ein animalisches Grinsen, wie von einem Raubtier, das seiner Beute sicher war.
»Verdammt!«, murmelte sie bewundernd. »Das ist wirklich clever! Aber er ist schließlich auch ein cleverer Bursche, das haben wir selbst gesehen. Clever und entschlossen.«
»Wer?«
Ihr Grinsen wurde spöttisch. »So ein Motiv ist mir während meiner gesamten Laufbahn noch nicht begegnet. Noch nie. Verdammt!«
»Was denn? Wissen Sie etwa, wer es war?«
»Sie vielleicht nicht, Detective?«
»Oh, jetzt kommen Sie schon. Wer war es?«
»Es hat alles mit dem Timing zu tun, Hoshe. Er hat sie nicht getötet, um Geld zu sparen, das wäre ein viel zu klassisches Szenario, und wir hätten es sogleich bemerkt. Er hat sie getötet, damit er Geld machen kann, nicht nur für sich, sondern für sie beide! Sie profitiert finanziell genauso stark von ihrer eigenen Ermordung wie er!«
»Wer?«
»Morton.«
»Das ist unmöglich!«, rief Hoshe. »Er war schließlich derjenige, der uns überhaupt erst alarmiert hat!«
»Das bedeutet überhaupt nichts. Dieser Plan war akribisch ausgetüftelt. Er hat sicherlich keinerlei Erinnerung daran. Erinnerungen sind Beweise. Er hat seine Erinnerung an ihre Ermordung und den Plan mit Sicherheit aus seinem Gedächtnis löschen lassen.«
»Ich werd’ verrückt. Sind Sie sicher?«
»Ja, inzwischen bin ich sicher.« Sie schloss die Augen, während sie das Szenario rasch durchspielte. »Es passt alles zusammen. Im Nachhinein passt alles wunderbar zusammen.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir benötigen Beweise, Hoshe. Es gibt zwei Möglichkeiten: physische Beweise und finanzielle. Ich werde mich gleich in die Geschäftsberichte seiner Firma vertiefen.«
»Okay. Was ist mit den physischen Beweisen?«
»Ich möchte, dass Sie die Leichen finden.«
Es war ein schlechter Tag gewesen im Büro. Als Morton an jenem Morgen eingetroffen war, hatte er erwartet, dass der Vorvertrag für die Straßenbau- und die Wasserversorgungsinfrastruktur von Puimros neuer Hauptstadt unterschriftsreif auf seinem Schreibtisch lag. Gansu hatte auf sein Verlangen hin die übrigen Konkurrenten beträchtlich unterboten; ein Verlust in diesem Stadium spielte keine Rolle – es war der Schlüssel für eine ganze Serie von Folgeaufträgen auf jener lieblichen neuen Welt. Mit dem Fuß in der Tür würde Gansu seine Operationen auf Puimro innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte so weit ausdehnen, bis die Filiale so groß war wie die Muttergesellschaft hier auf Oaktier. Die wirkliche Expansion in Richtung eines intersolaren Giganten würde ihren Anfang nehmen.
Doch die Anwälte der Entwicklungsgesellschaft auf Puimro waren misstrauisch. Sie glaubten, dass Gansus niedriges Angebot aufgrund der Verwendung von schlechteren Materialien und einfacherer Konstruktion zustande kam. Sie wollten schriftliche Qualitätsgarantien sowie Klauseln gegen ›exzessiven Profit‹. Alles durch und durch verständlich, aber warum zur Hölle hatten sie all das nicht schon vor zwei Monaten gesagt, während der ersten Runde der Verhandlungen? Morton hatte seine eigenen Firmenanwälte und Manager verflucht, als das bürokratische Geflecht im Laufe des Tages mehr und mehr geworden war. Die Angelegenheit war noch immer nicht geklärt, als er spät am Abend das Büro verließ und in übler Stimmung zu seinem Wagen stampfte. Er ließ ein Team von Anwälten und Experten für Vertragsrecht im Konferenzraum zurück, das über den Unterlagen kauerte und bereit war, die ganze Nacht durchzuarbeiten in dem Bemühen, die Probleme auszuräumen und die Fragen zu klären, die das Team ihres Vertragspartners auf Puimro erhoben hatte. Neue Meetings waren für die kommende Woche anberaumt. Das Unterschriftszertifikat würde frühestens in zehn Tagen eintreffen.
Verdammte Beamtenseelen!
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