Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
richtig in der Annahme, dass die Person oder die Personen, die Tara Shaheef und Wyobie Cotal tatsächlich ermordet haben, ein derartiges Alibi benötigt hätten, um jegliche polizeilichen oder privaten Ermittlungen bezüglich ihres Verbleibs irrezuleiten?«
»Ja.«
»Im Laufe Ihrer Ermittlungen, haben Sie da auch andere Personen gefunden, die ein Motiv gehabt hätten, diese beiden unglücklichen Menschen zu ermorden?«
»Nein. Es gab nichts, nicht einen einzigen Grund außer Habgier, und dieses Motiv deutete auf Morton.«
»Was, wenn Tara und Wyobie unerwartet Zeugen irgendeiner illegalen Aktivität seitens einer organisierten Verbrecherbande wurden? Haben Sie diese Möglichkeit in Betracht gezogen?«
»Ja. Wir haben diese Möglichkeit in Betracht gezogen und sind ihr nachgegangen. Es gab keinerlei Hinweise für diese Idee.«
»Wie auch, nicht wahr? Wenn die Bande, die die beiden ermordet hat, clever genug war, um ein Alibi zu konstruieren, das vierzig Jahre lang Bestand hatte, dann wird sie wohl kaum Beweise herumliegen lassen. Sie hatte nur in einer einzigen Hinsicht Pech, nämlich als mein Mandant von der Wiederbelebung erfuhr und als guter Bürger seiner Pflicht nachkam und an den geeigneten Stellen unangenehme Fragen stellte. Und das hier ist seine Belohnung. Wir haben nichts hier vor diesem Gericht als Ihre Theorie, die so zurechtgebogen wurde, dass sie mit den Fakten übereinstimmt, eine Theorie, die einzig und allein auf Ihren Mutmaßungen basiert, dass mein Mandant ein kaltblütiger, skrupelloser Mann ist. Habe ich Recht damit?«
»Ja. Das ist es, was die Fakten nahe legen.«
»Aber das tun sie nicht, Detective. Das sind keine Fakten. Das ist Ihre Theorie. Es sind keine Beweise, kein blutverschmierter stumpfer Gegenstand in einem Plastikbeutel, den Sie hier vor dem Gericht in die Höhe halten können. Es ist eine höchst dürftige Theorie, die sich einzig und allein auf die Umstände stützt. Also frage ich Sie erneut: Gibt es irgendwelche Beweise, physikalisch oder digital, die definitiv ausschließen, dass Wyobie Cotal und Tara Jennifer Shaheef zufällig Zeugen eines Verbrechens und ermordet wurden, um sie zum Schweigen zu bringen? Und warum ihre Memorycell Inserts gelöscht wurden?«
Hoshe starrte einen langen Augenblick geradeaus; dann räusperte er sich. »Nein. Es gibt weder physikalische noch digitale Beweise, die diese Möglichkeit ausschließen«, antwortete er tonlos.
Als sich das Gericht schließlich auf den nächsten Tag vertagte, waren sich die Sprecher der Nachrichtenshows im gesamten Commonwealth mehr oder weniger einig, dass der Verteidiger bei der Demontage von Hoshe Finn ganze Arbeit geleistet hatte. Ein Großteil der Anklage war reine Vermutung. Es sollte reichen für einen guten Verteidiger, die Jury auf seine Seite zu bringen. Die öffentliche Stimmung schlug definitiv in Mortons Richtung um, wenn man den ständigen interaktiven Polls glauben schenken durfte, die die Meinungen bezüglich des Falls abfragten. Es war wie eine Rückkopplungsschleife und überzeugte noch mehr Menschen davon, dass Morton freigesprochen werden würde, was wiederum eine noch viel größere Enthüllung nach sich zu ziehen versprach: Paula Myo stand im Begriff, zum allerersten Mal in ihrer Karriere einen Fall zu verlieren.
Nach den Ereignissen des Vortags brachte der dritte Tag der Verhandlungen wenig überraschend eine noch höhere Einschaltquote bei den Datenströmen in der Unisphäre. Fast drei Milliarden Menschen verfolgten die Verhandlung und warteten gespannt auf die weitere Entwicklung. Sie beobachteten, wie Mellanie an diesem Morgen eintraf und ihren üblichen Platz einnahm. An diesem Morgen trug sie einen langen Mantel aus irgendeinem glänzenden eisblauen Stoff mit dazu passender Hose. Die Weste darunter war ein durchsichtiges Gewebe, obwohl die Revers des Mantels sehr nah beieinander blieben und mehr andeuteten, als sie enthüllten. Ihr Haar besaß diesmal eine kunstvolle Welle und war schick nach hinten gekämmt, und sie strahlte rohen Sexappeal aus.
Nachdem Hoshe am Vortag vom Verteidiger gegrillt worden war, trug er heute einen leichteren Anzug und zur Abwechslung die Haare bis zu den Schultern offen. Paula neben ihm hatte ein strenges dunkelgrünes Kostüm angezogen, und ihre Haare waren wie stets streng nach hingen gekämmt.
Als der Gerichtsdiener Morton hereinbrachte, erschien dieser in einem navyblauen Anzug, der für jedes Vorstandstreffen angemessen gewesen wäre und der seine
Weitere Kostenlose Bücher