Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
Analyse in ein isoliertes Immotiles heruntergeladen hatte, hatte es Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass das, was es als Kontamination betrachtete, in den Hauptcluster von Immotilen zurückleckte. Was sich MorningLightMountain nie ausgemalt hatte, weil es völlig außerhalb seiner intellektuellen Möglichkeiten lag, war, dass Dudley ein Motiles benutzen könnte. Weil die Natur auf Dyson Alpha es so eingerichtet hatte, dass Immotile das Kommando über Motile mittels ihrer höher entwickelten Gedankenroutinen übernehmen konnten, war die Vorstellung eines ungehorsamen Motilen absurd. Es war einfach nicht Bestandteil der Ordnung der Dinge. Motile waren dienende, niedriger stehende Organismen, Empfänger für den größeren Intellekt der Immotilen. Nichts im Universum konnte dies ändern.
Menschliche Gedanken auf der anderen Seite entstammten einem Gehirn, das höchstens ein klein wenig kleiner war als das eines Motilen, und menschliches Bewusstsein war ausnahmslos völlig unabhängig – und das in einem Ausmaß, das MorningLightMountain niemals wirklich begreifen konnte.
Allein in seiner feuchten, gemütlichen Kaverne in dem gigantischen Bauwerk, das den Rest von MorningLightMountains Hauptcluster von Immotilen beherbergte, wurde das Immotile, das Dudleys Gedanken enthielt, genauso von Motilen mit Nahrung versorgt wie all die anderen Immotilen auch. Von seinen zwölf Rezeptorstängeln waren lediglich vier mit Kommunikations-Interface-Geräten versehen, um es mit den Haupt-Gedankenroutinen von MorningLightMountain zu verbinden. Dudley musste nichts weiter tun als abwarten, bis er von einem Motilen besucht wurde, das Nahrung brachte, und einen der unbenutzten Rezeptorstängel verbiegen, um Kontakt zu dem entsprechenden Stängel des Motilen herzustellen.
Dudleys Bewusstsein glitt durch die vereinigten Stängel ins Gehirn des Motilen hinüber und duplizierte seine Erinnerungen und Gedanken innerhalb der neuen Neuronenstruktur. Im Innern seines neuen Wirtes fühlte er den Druck von MorningLightMountains allgemeinen Befehlen und Direktiven, die unablässig aus dem Kommunikationsgerät gegen seine Persönlichkeit brandeten. Er ignorierte sie einfach. Er war dazu imstande, weil er es so wollte. Das war der Unterschied zwischen ihm und der »Persönlichkeit« eines gewöhnlichen Motilen. Es besaß keinen freien Willen. Dudley hatte, als vollkommen autarkes und gründlich verärgertes menschliches Bewusstsein, jede Menge davon.
Monatelang war er durch das Tal gewandert, das MorningLightMountains ursprüngliches Zuhause war. Er hatte das breiige Zeug aus Trögen gegessen, genau wie all die anderen Motilen auch, seine Zeit totgeschlagen und an Informationen und Erkenntnissen gesammelt, was er konnte. In dieser Hinsicht erwies sich das Kommunikationsgerät, das ihm Zugang zu MorningLightMountains Haupt-Gedankenroutinen verschaffte, als unvergleichliche Quelle. Er fühlte sich wie ein kleines Kind, das aus einem Versteck heraus das Leben eines Erwachsenen beobachtete.
Obwohl MorningLightMountain nicht über die Möglichkeiten verfügte, Dudleys Flucht vorherzusehen, so war es doch eine gewaltige Intelligenz. Eine Intelligenz, die, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, in tödlichem Ausmaß irrsinnig war.
Dudleys stiller, forschender Verstand lauschte, während MorningLightMountain seine Pläne schmiedete, begriff den universalen Genozid, den es gegen das Commonwealth und alle anderen Nicht-Prime-Aliens begehen wollte, von denen Dudleys eigene Erinnerungen ihm berichtet hatten. Es gab absolut nichts, was Dudley dagegen hätte unternehmen können. Er konnte nicht das kleinste Körnchen Sand ins Getriebe streuen.
Emotionen waren einer der mehr menschlichen Aspekte, die nicht besonders gut in seinem gestohlenen Prime-Gehirn zu funktionieren schienen. Dudley kannte das Prinzip, wusste, was er eigentlich hätte empfinden müssen, ohne das Gefühl tatsächlich zu spüren – ein Mangel, den er einer grundsätzlich verschiedenen Neurochemie zuschrieb. Und so beobachtete er ungerührt, wie sich die Wurmlöcher im Innern des Commonwealth öffneten, wohlwissend, dass er schreien und heulen müsste, seine vierfachen Hände ballen und seine einteiligen Arme gegen die Brust schlagen, als die Zerstörung ihren Lauf nahm. Doch stattdessen verbrachte er den Tag mit Spaziergängen am Ufer des Kongregadonssees und hielt sich von den Scharen von Motilen fern, die den neu geformten dabei halfen, aus dem Wasser ans Ufer
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