Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
Wir dürfen alles mitnehmen, was wir wollen. Ist irgendwas Wertvolles bei diesem Zeugs?«
»Ich hab keine Ahnung, verdammt! Aber wir machen es erst hinterher, kapiert?«
Marlons gewaltige Gestalt zuckte abfällig mit den Schultern.
Roderick schaltete sein kleines tragbares Array ein. Der Schirm leuchtete hell in dem stockfinsteren Bungalow und zeigte einen Grundriss. Das Schlafzimmer war deutlich markiert. »Hier entlang.«
Sie setzten sich vorsichtig in Bewegung, während sie darauf achteten, nichts am Boden zu berühren. Im Haus herrschte Chaos; seit Ewigkeiten hatte hier niemand mehr aufgeräumt. Roderick überprüfte die ersten beiden Maidbots in ihren Nischen. Keiner hatte Energie in den Batterien. Er war noch nie in einem Haus gewesen, in dem so wenig elektrische Aktivität herrschte; es war, als befände er sich in der Steinzeit.
Als sie den Flur zur Hälfte durchquert hatten, versagte Rodericks Retinaimplantat, und er fand sich in einer Welt aus tiefschwarzen Schatten wieder. »Gottverdammt!«
»Was denn?«, brummte Marlon missmutig.
Roderick bemerkte, dass auch sein tragbares Array tot war. Genau wie sein E-Butler. »Scheiße. Sind deine Implantate auch ausgefallen?«
»Ja.«
Die Unruhe in Marlons Stimme verstärkte die wachsende Angst in Roderick. Es geschah nicht oft, dass der riesige Mann verunsichert wirkte. Er blinzelte in die Dunkelheit. Zwei große Bogenfenster waren als graue Schemen zu sehen, und sie ließen eine winzige Menge Licht in den Raum, gerade genug, dass Roderick die Umrisse von Mobiliar erkennen konnte.
»Das war kein Unfall. Unsere Elektronik wurde absichtlich ausgeschaltet.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Marlon. »Ich habe eine Taschenlampe dabei. Soll ich sie einschalten?«
»Vielleicht. Er muss wissen, dass wir da sind. Was meinst du?« Roderick bemerkte eine Bewegung bei einem der Fenster. Ein dunkler Fleck, der an der Wand nach oben glitt. Was verrückt war. Ganz zu schweigen von bestürzend. Oder war es nur seine von Adrenalin beflügelte Fantasie, die ihm da einen Streich spielte? Er hob die Eude606 und zielte in die Richtung, wo der Schatten sein musste, wenn er real gewesen war. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen.
»Na und? Was soll er schon unternehmen?« In Marlons Stimme schwang gespielte Tapferkeit mit. Keiner von beiden machte sich noch die Mühe zu flüstern.
Roderick hielt die Pistole auf das imaginäre Ziel gerichtet, bereit, sich jeder Gefahr zu stellen, die von ihm ausgehen mochte. »Also schön, dann.« Er wartete, während Marlon in seiner Jackentasche kramte. Dann blitzte der schmale Lichtstrahl auf, erstaunlich hell in der düsteren Lounge. Er glitt über die Wände, und Roderick folgte dem weißen Kreis mit seiner Pistole. Marlon drehte sich einmal vollständig im Kreis und leuchtete das staubige, antike Dekor ab. Niemand war da außer ihnen. Und wichtiger noch von Rodericks Standpunkt aus: Nichts war an der Wand neben dem Fenster, nichts, das sich hätte bewegen können.
»Also schön, alter Mann«, sagte Marlon. »Komm jetzt raus. Wir tun dir nichts.« Es war die Art von Tonfall, die man gegenüber einem in Panik geratenen Tier benutzte. »Wir wollen nur deinen Kunstkram; das ist alles. Mach keine Schwierigkeiten, und dir passiert nichts.«
Sie sahen sich an. Roderick zuckte mit den Schultern. »Schlafzimmer«, sagte er. Irgendetwas bewegte sich in seinen Augenwinkeln. Über ihm. »Huh?« Marlon schien es ebenfalls bemerkt zu haben, denn der Strahl der Taschenlampe ging zur Decke. Roderick blickte nach oben und sah, dass dort große, eigenartige braune Felle hingen.
Das Nostat direkt über Roderick ließ sich fallen. Es war, als hätte jemand eine weiche Decke über ihn gestülpt, deren Ränder bis zu seinen Ellbogen reichten. Der Schock ließ ihn aufschreien und um sich schlagen, während er versuchte, sich das Ding herunterzureißen. Das weiche Fell des Nostats veränderte sich. Strähnen drehten sich zusammen und bildeten nadeldünne Stacheln. Es zog sich um seine Beute herum zusammen, eine Bewegung, die mehr als zehntausend der hauchdünnen Nadeln durch Rodericks Kleidung und unter seine Haut jagte. Sein Todesschrei verhallte in einem Gurgeln, als die Nadeln seine Kehle durchbohrten und sein Rachen sich plötzlich mit Blut füllte. Reflexe sorgten dafür, dass er sich zuckend wand, obwohl der Schmerz ihm praktisch auf der Stelle das Bewusstsein geraubt hatte. Es war genau die Art von Bewegung, die das Nostat im Laufe seiner
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