Conan der Freibeuter
Beider Macht war nun in etwa gleich. Die Schläfenadern der Gegner drohten zu platzen, sie taumelten, doch keiner gab nach.
Die Edlen und Würdenträger, auch die Gardisten beobachteten verwirrt das Geschehen. Viele tapfere Männer gab es unter ihnen, die sich ohne Zögern auf die Seite desjenigen geschlagen hätten, der für das Wohl Zingaras eintrat – aber wer vermochte in dieser chaotischen Situation zu sagen, wo das Recht lag? Sie hatten hier einen altersschwachen König, einen finsteren stygischen Zauberer und einen zingaranischen Herzog vor sich, der berüchtigt war für seine Skrupellosigkeit und Falschheit.
Villagro hörte Menkara einen Zauberspruch murmeln. Er spürte, wie seine Geisteskräfte schwanden – und Thoth-Amon schien vor seinen Augen zu wachsen ...
Plötzlicher Lärm lenkte aller Augen auf sich. Aus einer Tür auf der Galerie des Thronsaals quoll eine Meute rauher zerlumpter Seemänner. Ihnen voraus schritt ein sonnengebräunter Riese mit rabenschwarzer wilder Mähne und funkelnden eisblauen Augen. Er hielt einen Säbel in der gewaltigen Pranke.
Entsetzt schrie Zarono auf: » Conan! Bei allen Göttern und Teufeln – er ist hier!« Beim unerwarteten Anblick des mächtigen Barbaren erblaßte der Freibeuter, doch dann biß er die Zähne zusammen, sein Gesicht verzog sich grimmig, und seine schwarzen Augen brannten haßvoll. Er zog den Degen aus der Scheide.
Die Unterbrechung hatte auch Thoth-Amon abgelenkt. Er hob das dunkle Haupt mit der zingaranischen Krone. Mit der Kobrakrone auf dem Kopf, hätte er Conan und seine Männer nicht unbemerkt eindringen lassen. Dummerweise hatte er sie genau in jenem Moment abgelegt, da die Freibeuter sich ihrem Wirkungsbereich näherten.
Nach einem kurzen Blick auf die Eindringlinge konzentrierte Villagro sich wieder auf Thoth-Amon, der als Feind für ihn gefährlicher war. Gelang es ihm, trotz seiner Unerfahrenheit Thoth-Amon, mit Hilfe der Krone zu besiegen, sollte es ihm auch nicht schwerfallen, Conan auf dieselbe Weise zu erledigen. Wandte er dagegen jetzt seine ganze Aufmerksamkeit auf den Barbaren, würde ihn der Stygier wie eine lästige Fliege vernichten.
Conan trat ans Kopfende des Treppenaufgangs und hob schweigengebietend die Arme.
»Edle von Zingara!« brüllte er. »Gemeinster Verrat und schwärzeste Magie fingen euren Herrscher im Netz der Ränke!« Sein muskulöser Arm deutete auf den unbewegten Stygier. »Kein Fürst Stygiens ist er, sondern eine verruchte Ausgeburt der Hölle! Ein Zauberer, der den uralten Thron Zingaras an sich reißen möchte! Kein schlimmerer Unhold als dieser Thoth-Amon besudelte je die Erde. Durch einen Zauber stahl man eures Königs klaren Verstand, so daß er nicht mehr weiß, was er sagt, und wie ein Papagei die Gedanken nachplappert, die dieser Thronräuber ihm eingibt!«
Die Anwesenden schwankten, einige glaubten Conans Worten, andere nicht. Ein feister Edler rief: »Welche Unverschämtheit! Ein wildäugiger Halunke von Pirat kommt hereingestürmt, stört eine heilige Zeremonie, fuchtelt mit seinem Säbel herum und brüllt Unsinn! Wachen, nehmt diese Lumpen fest!«
Über das einsetzende Stimmengemurmel hinweg donnerte Conan: »Schaut euch doch den König an, ihr Einfaltspinsel, dann erkennt ihr die Wahrheit meiner Worte!«
Leichenblaß und zusammengesunken stand Ferdrugo schwankend vor seinem Thron und zupfte an seinem dünnen weißen Bart. »Was – was geht hier vor, meine Herren?« fragte er mit zittriger Stimme. Sein verwirrter Blick wanderte von Gesicht zu Gesicht. Da erst bemerkte er das Pergament in seiner Hand. »Was – was ist das? Habe ich es verlesen?« murmelte er. »Ich verstehe nicht ...«
Es war ganz offensichtlich, daß König Ferdrugo nichts von der Proklamation wußte, die er soeben verlesen hatte. Thoth-Amon, durch seinen Willenskampf mit Villagro und durch Conans Eindringen abgelenkt, hatte notgedrungen seine Kontrolle über Ferdrugo vorübergehend aufgegeben. Und nun sah er sich gezwungen, sich wieder dem Herzog zuzuwenden.
Als Thoth-Amon zu Conan hochsah, hatte Villagro seinen tausendfach durch die Kobrakrone verstärkten Willen gegen den Stygier gewandt. Thoth-Amon taumelte unter der Wucht dieser geistigen Kraft und wäre fast gefallen, hätte er sich nicht an den Armlehnen des Thrones festgehalten. Die zingaranische Krone, die zu klein für ihn war und deshalb keinen richtigen Halt auf seinem kahlgeschorenen Kopf hatte, glitt herab und landete klirrend auf den
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