Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
einem halben Dutzend spärlich bekleideter Frauen befand sich niemand im Garten. Die Mädchen schrien und ergriffen die Flucht. Conan rannte, hinter jedem Baum vor den schwirrenden Pfeilen Deckung suchend, zur nächsten Mauer. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, daß die Schützen sich auf dem Balkon dicht an dicht drängten. Ein wütender Schrei warnte ihn vor der nahen Gefahr.
Auf der Mauer rannte ein Mann, seinen Tulwar schwingend, auf ihn zu.
Der Bursche, ein dunkler, fast feister Vendhyaner, hatte den Punkt, wo der Flüchtige die Mauer erreichen mußte, genau berechnet. Nur kam er selbst um Herzschläge zu spät dort an. Die Mauer war etwa mannshoch. Conan griff mit einer Hand nach der Krone und schwang sich hinauf, ohne in seiner Geschwindigkeit wesentlich nachzulassen. Einen Augenblick später, als er bereits die Füße auf der Mauer hatte, duckte er sich unter dem Tulwar hinweg und stieß gleichzeitig den Ilbarsidolch in den gewaltigen Bauch des Vendhyaners.
Der Mann brüllte wie ein Stier, schlang die Arme in tödlichem Griff um Conan und rollte mit ihm über den Mauerrand. Der Cimmerier konnte gerade noch die Schlucht mit den Steilwänden unter sich sehen. Sie prallten auf dem schmalen Plateaurand auf, glitten darüber und schlugen fünfzehn Fuß tiefer auf steinigem Boden auf. Im Fallen hatte Conan sich in der Luft gedreht, so daß der Vendhyaner unter ihm zu liegen kam und sein fettgepolsterter Leib den Aufprall für ihn milderte. Trotzdem raubte es dem Cimmerier den Atem.
6
DAS UNGEHEUER IN DEN SCHLUCHTEN
Conan taumelte mit leeren Händen auf die Füße. Als er hochschaute, sah er eine Reihe von Helmen und Turbanen entlang der Mauer, und gleich darauf wurden Pfeile an die Sehnen gelegt.
Ein schneller Blick verriet Conan, daß in nächster Nähe keine Deckung zu finden war. Es würde ihm auch nichts nutzen, sich ein zweitesmal flach auf den Boden zu werfen, da die Wachen ja von oben herabschossen.
Als die erste Sehne sirrte und der Pfeil an ihm vorbeipfeifend an einem Stein zersplitterte, warf er sich neben die Leiche des Vendhyaners und zog den blutigen, noch warmen Toten als Schild über sich. Und schon bohrte eine ganze Salve sich in den Leichnam. Conan spürte ihren Aufschlag, als hämmere jemand auf ihn ein. Glücklicherweise war der Vendhyaner so füllig, daß keine der Pfeilspitzen bis zu ihm durchdrangen.
»Crom!« fluchte er laut, als ein Pfeil seine Wade streifte.
Der Beschuß hörte auf, sobald die Yezmiten erkannten, daß sie lediglich den Leichnam spickten. Conan umklammerte die dicken behaarten Handgelenke des Toten und rollte zur Seite, daß die Leiche plumpsend auf den Felsboden neben ihm fiel. Dann sprang er auf die Füße und hob den Leichnam auf den Rücken. So diente er ihm auch jetzt wieder als Schild, während er sich in die der Mauer entgegengesetzte Richtung wandte, als ein sehr gewichtiger Schild allerdings, der ihn große Kraft kostete, denn der Vendhyaner wog mehr als er selbst.
So stapfte er von der Mauer weg die Kluft abwärts. Die Yezmiten brüllten, als sie sahen, daß ihr Opfer ihnen zu entkommen drohte, und schickten ihm eine neue Salve nach, die allerdings ebenfalls nur den Toten traf.
Conan schleppte sich hinter den ersten größeren Felsblock und ließ die Leiche fallen, in der mehr als ein Dutzend Pfeile steckten.
»Hätte ich einen Bogen, würde ich diesen Hunden zeigen, wie man schießt!« brummte Conan wütend. Er spähte vorsichtig um den Felsblock.
Immer noch ragten Köpfe dicht an dicht über die Mauer, doch keine weiteren Pfeile kamen geflogen. Conan erkannte Olgerd Vladislavs Pelzmütze in der Mitte der Kopfreihe. Olgerd brüllte:
»Du bildest dir doch nicht ein, du seist entkommen? Haha! Du wirst dir noch wünschen, du wärst in Yanaidar unter den Klingen meiner Männer gefallen. Ein angemessenes Willkommen in der Hölle, alter Freund!«
Mit einem flüchtigen Kopfnicken zu seinen Begleitern hin verschwand Olgerd, und gleich darauf waren auch die anderen Köpfe nicht mehr zu sehen. Conan war allein mit der Leiche zu seinen Füßen.
Stirnrunzelnd blickte er sich um. Er wußte, daß das Südende des Plateaus von einem Netzwerk von Schluchten durchschnitten war. Offenbar befand er sich gegenwärtig in einer von diesem Netzwerk ausgehenden Kluft südlich des Palasts. Sie war etwa zehn Schritt breit, gerade, wie von einem gigantischen Messer geschnitten, und gehörte zu einem Labyrinth von Felsspalten außerhalb der Stadt. Die
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