Conan-Saga 15 - Conan der Thronräuber
durchquerte er eine Art Kammer, in der sich zwei Tunnels kreuzten. Im letzten Augenblick sah er etwas Gedrungenes auf dem Boden vor sich, aber es war bereits zu spät anzuhalten oder auszuweichen, und so stieß sein Fuß gegen etwas Nachgiebiges, das schrill aufschrie. Er stürzte kopfüber. Die Fackel flog ihm aus der Hand und erlosch, als sie auf dem Boden aufschlug. Benommen erhob sich Conan und tastete in der Dunkelheit um sich. Er hatte keine Ahnung mehr, in welcher Richtung der Hauptkorridor lag. Er suchte nicht nach der Fackel, denn er hatte keine Möglichkeit, sie anzuzünden. Seine tastenden Hände fanden die Tunnelöffnungen. Auf gut Glück wählte er eine. Wie lange er durch die absolute Finsternis irrte, wußte er nicht, aber plötzlich hielt er an, denn seine barbarischen Sinne warnten ihn vor einer nahen Gefahr.
Es war das gleiche Gefühl, das sich seiner schon früher manchmal bemächtigt hatte, wenn er in der Dunkelheit am Rand eines tiefen Abgrunds gestanden hatte. Er ließ sich auf alle viere fallen und tastete sich vorsichtig vorwärts, und fast unmittelbar langte seine ausgestreckte Rechte ins Leere. Er zog sie zurück, und tatsächlich war er am Rand vermutlich eines Schachtes angekommen. Er legte sich davor auf den Bauch und tastete ihn ab, soweit sein Arm hinunterreichte. Die Wand, die steil abfiel, war kalt und unangenehm glitschig. Jetzt versuchte er, mit dem Schwert zur anderen Seite zu reichen, und tatsächlich berührte die Spitze sie gerade noch. Er könnte also darüber springen, aber wozu? Es bestand kein Zweifel, daß er dem falschen Tunnel gefolgt war und der Hauptkorridor irgendwo hinter ihm lag.
Noch während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, spürte er einen schwachen Luftzug aus dem Schacht kommen. Conans Haut prickelte. Er sagte sich, daß dieser Schacht eine Verbindung mit der Außenwelt hatte, aber seine Instinkte deuteten auf etwas anderes, Unnatürliches hin. Schließlich befand er sich tief in der Erde, nicht einmal mehr im Berg, sondern zweifellos tiefer als die Straßen der Stadt. Wie also könnte der Wind von unten durch den Schacht blasen? Dazu trug dieser merkwürdige Luftzug ein seltsames Pochen mit sich, das sich wie ferner Trommelschlag anhörte. Kalter Schauder schüttelte den König von Aquilonien.
Er stand auf und entfernte sich rückwärts von dem Schacht, und plötzlich schwebte etwas daraus hervor. Was es war, wußte Conan nicht. Die Dunkelheit war undurchdringlich, er konnte nicht sehen, aber er spürte ganz deutlich, daß er nicht mehr allein war. Etwas Unsichtbares, Ungreifbares – und unsagbar Böses – schwebte vor ihm. Er wirbelte herum und floh den Weg zurück, den er gekommen war. Weit voraus bemerkte er einen winzigen roten Funken. Darauf rannte er zu. Doch lange, ehe er glaubte, ihn erreicht zu haben, prallte er gegen eine Wand – und er sah den Funken zu seinen Füßen. Es war seine Fackel. Die Flamme war zwar erloschen, aber das Fackelende schwelte noch. Vorsichtig hob er die Fackel auf und blies behutsam auf die Glut, bis sie wieder aufflammte. Er seufzte erleichtert und schaute sich um. Er stand in der Kammer, wo die Tunnels sich kreuzten, und sein Richtungssinn kehrte wieder.
Er nahm den Tunnel zum Hauptkorridor. Während er darauf zuging, flackerte die Fackel heftig, als bliesen unsichtbare Lippen darauf. Wieder spürte er, daß er nicht allein war. Er hob die Fackel und sah sich erneut um.
Er sah nichts, und doch war er sich irgendwie einer unsichtbaren körperlosen Kreatur bewußt, die in der Luft schwebte und von der Schleim herabsickerte. Obwohl er es nicht hören konnte, wußte er, daß sie grauenvolle Obszönitäten hervorstieß. Wild hieb er mit dem Schwert um sich, und es fühlte sich an, als durchtrenne seine Klinge Spinnweben. Ein kaltes Grauen packte ihn, und er rannte durch den Tunnel. Im Laufen spürte er brennenden Atem auf seinem nackten Rücken.
Doch als er den breiten Korridor erreichte, fühlte er, daß er wieder allein war. Er folgte diesem Hauptgang weiter, und rechnete jeden Augenblick damit, daß gräßliche Ungeheuer ihn aus der Dunkelheit ansprangen. Es war nun durchaus nicht mehr still hier in den Tiefen der Erde. Aus den Tunnels in allen Richtungen waren Laute zu vernehmen, die nicht in eine normale Welt gehörten. Kichern war zu hören, dämonisches Gelächter, ein langgedehntes Heulen, schrilles Kreischen und einmal ein Lachen wie von einer Hyäne, das gespenstischerweise in einer menschlichen Stimme
Weitere Kostenlose Bücher