Conan-Saga 15 - Conan der Thronräuber
Die Hauptranke peitschte um sich wie eine geköpfte Schlange, ehe sie sich zu einer zuckenden Kugel zusammenrollte. Die Nebenranken schlugen blind durch die Luft und wanden sich wie in Schmerzen. Die spitzen Blätter rasselten Kastagnetten gleich, und die Blüten öffneten und schlossen sich wie im Krampf. Dann erschlafften sie, die leuchtenden Farben wurden stumpf, und ein stinkender weißer Saft floß aus dem Stumpf am Boden.
Wie gebannt beobachtete Conan die Pflanze. Da ließ ein Geräusch ihn die Klinge heben. Der Befreite war aufgestanden und musterte ihn. Conan starrte ihn verwirrt an. Die Augen in dem hageren Gesicht waren durchaus nicht mehr leer. Wacher Verstand sprach aus ihnen, und auch der Ausdruck des Schwachsinnigen war wie eine Maske von dem Gesicht abgefallen. Der Kopf des Fremden war schmal und wohlgeformt, die Stirn hoch und der Körper von edlem Wuchs.
»Welches Jahr haben wir?« fragte er auf Kothisch.
Die Frage verblüffte Conan. »Wir haben heute den zehnten Tag des Monats Yuluk im Jahr der Gazelle«, antwortete er.
»Yagkoolan Ischtar!« murmelte der Fremde. »Zehn Jahre!« Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als müßte er seinen Kopf von Spinnweben befreien. »Ich sehe noch nicht ganz klar«, gestand er. »Nach zehn Jahren der Leere kann man wohl auch nicht erwarten, daß der Verstand sofort wieder normal arbeitet. Wer seid Ihr?«
»Conan, einst von Cimmerien, doch jetzt König von Aquilonien.«
Der andere war sichtlich überrascht.
»Oh, tatsächlich? Und Numedides?«
»Ich war gezwungen, ihn vor seinem Thron zu erwürgen, als ich die Stadt eingenommen hatte.«
Unwillkürlich zuckten die Lippen des Fremden bei dieser offenen Antwort amüsiert.
»Verzeiht, Eure Majestät. Ich hätte Euch als erstes für meine Rettung danken müssen. Aber ich bin offenbar noch etwas verwirrt. Das ist wohl kein Wunder, da Ihr mich aus einem Schlaf geweckt habt, der tiefer als der des Todes war, und die Alpträume, die mich quälten, schlimmer als die Hölle waren. Aber soviel ist mir bereits klar: Ich verdanke meine Befreiung Euch. Sagt, weshalb habt Ihr den Stengel der Yothgapflanze abgehackt, statt ihn mit den Wurzeln auszureißen?«
»Weil die Erfahrung mich lehrte, nichts zu berühren, das ich nicht verstehe«, brummte der Cimmerier.
»Gut für Euch«, sagte der Fremde. »Hättet Ihr sie ausgerissen, hätten sich möglicherweise Schreckensgestalten an ihre Wurzeln geklammert, gegen die Euer Schwert nicht angekommen wäre, denn Yothgas Wurzeln reichen bis tief in die Hölle.«
»Ihr habt mir noch nicht gesagt, wer Ihr seid«, erinnerte ihn Conan.
»Oh! Ich war unter dem Namen Pelias bekannt.«
»Was!« rief der König. »Pelias, der Zauberer? Tsotha-lantis Rivale, der vor zehn Jahren vom Antlitz der Erde verschwand?«
»Nun, nicht ganz«, schwächte Pelias die Behauptung mit einem trockenen Lächeln ab. »Tsotha zog es vor, mich am Leben zu erhalten – in Banden, die schlimmer und wirkungsvoller als Eisenketten waren. Er sperrte mich hier mit dieser Teufelsblume ein, deren Samen aus dem schwarzen Kosmos von Yag, dem Verfluchten, hierhergeweht wurden. Und hier, nur hier, in dieser madenzerfressenen Fäulnis auf dem Boden der Hölle fand sie fruchtbare Erde.
Es gelang mir nicht, mich meiner Zauberkräfte zu bedienen, ja nicht einmal, mich der magischen Worte zu besinnen, in der teuflischen Umarmung dieses verfluchten Geschöpfes, das von meiner Seele trank. Tag und Nacht saugte sie an meinem Verstand, so daß mein Gehirn leer war wie ein zerbrochener Weinkrug. Zehn Jahre lang! Ischtar, stehe uns bei!«
Conan wußte nicht, was er sagen sollte. Mit einer Hand hielt er den Fackelstumpf, mit der anderen das Schwert. Der Mann mußte wahnsinnig sein – aber andererseits wirkten die seltsamen Augen, die auf ihm ruhten, völlig klar.
»Sagt mir, ist der schwarze Hexer in Khorshemish? Nein – Ihr braucht mir nicht zu antworten. Meine Kräfte erwachen. Ich lese in Euren Gedanken von einer blutigen Schlacht und einem König, der durch Verrat in die Falle gelockt wurde. Ich sehe auch Tsotha-lanti mit Strabonus und dem König von Ophir eilig zum Tybor reiten. Um so besser. Ich bin noch zu schwach von dem langen qualvollen Schlaf, um Tsotha zu stellen. Es wird eine Weile dauern, bis meine Kräfte voll zurückgekehrt sind. Verlassen wir Tsothas Hallen der Hölle.«
Conan klapperte schulterzuckend mit den Schlüsseln.
»Das Gitter vor der Außentür ist mit einem Riegel verschlossen, der nur von
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