Conan-Saga 20 - Conan von den Inseln
Beinkleid war nur noch Fetzen, und seine Stiefel waren von den Rattenzähnen aufgerissen und durchlöchert, so daß Zehen, Fußknöchel und Waden stellenweise durchschienen. Glücklicherweise hatte das kalte Bachwasser die Wunden gesäubert.
Auf den Gliedern seines Kettenhemds hatte sich bereits dünn Rost angesetzt, so daß sie bei seinen Bewegungen leicht quietschten. Seinen Dolch besaß er noch, aber sein Schwert hatte er bei seinem Sturz in den Bach verloren.
Mit großer Mühe kam er auf die Füße, taumelte und fing sich wieder. Jeder Muskel in seinem mächtigen Körper schmerzte. Der Kampf mit den Ratten hatte selbst seine eiserne Kraft und Ausdauer erschöpft. Er hatte schon fast ein Stadium trancegleicher, berserkerhafter Gefühllosigkeit erreicht gehabt. Und dann war er auch noch dem Tod durch Ertrinken verdammt nahe gekommen. Zweifellos hatte er einen ganzen Tag und eine Nacht geschlafen, wenn nicht gar länger.
Als er vorsichtig seine steifen Muskeln bewegte, setzte ein stechendes Prickeln ein, das ihm verriet, daß das Blut wieder zu zirkulieren begann. Gleichzeitig kehrte neue Kraft in seinen mitgenommenen Körper zurück. Er stapfte ein wenig auf dem sichelförmigen Ufer hin und her, um wieder Leben in seine Gliedmaßen zu bekommen. Die leere Scheide seines Breitschwerts warf er von sich. Sie war zu leicht, ihm als Waffe zu dienen, und würde ihn nur behindern.
Jetzt spürte er auch, wie hungrig und durstig er war. Der Durst ließ sich mit dem Bachwasser stillen, aber das trug nicht dazu bei, seinen knurrenden Magen zu beruhigen. Wenn er nur eine dieser Riesenratten mitgebracht hätte ... Sie gäbe eine nahrhafte Mahlzeit ab.
Eine verschwommene Bewegung unter der Wasseroberfläche lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Er sah, daß es Fische in dem Bach gab. Er setzte sich auf einen felsigen Ufervorsprung und schaute mit der Geduld des alten Jägers ins Wasser.
Die Zeit verging. Plötzlich schossen Conans lange Arme in den Bach und kehrten mit einem sich in den Händen windenden Fisch zurück. Er tötete ihn, kratzte die Schuppen mit seinem Dolch ab und aß das feste weiße Fleisch roh. Als er fertig war, wusch er sich Blut und Schuppen von Gesicht und Händen und machte sich daran, sich umzusehen.
Zuerst ging er – vorsichtig, um nicht in einen möglichen Spalt oder einen Schacht zu fallen, der in eine tiefere Höhlenebene führen mochte – zur nächsten Wand. Zwar war das grüne Licht schwach, aber die vielen Stunden in der Dunkelheit hatten Conans Augen aufnahmefähig für selbst die geringste Beleuchtung gemacht.
An der Stelle angekommen, wo der Höhlenboden sich der Wand entgegenhob, betrachtete er den nächsten der grünen Leuchtflecken, die über die Wände verteilt waren. Das Glühen schien von etwas auszugehen, das etwa die Größe und Form eines Kinderfingers hatte. Da er zu vorsichtig war, etwas Unbekanntes mit nacktem Finger zu berühren, nahm Conan seinen Dolch und stupste es mit der Klingenspitze. Das grünliche Ding wand sich und fiel von der Wand. Es rollte an seinen Füßen vorbei, dann kroch es hastig über den Höhlenboden. Ein näherer Blick zeigte ihm, daß es sich um eine leuchtende Made oder Raupe handelte. Hunderttausende dieser winzigen Kreaturen klebten an den Wänden und der Decke.
Conan brummte zufrieden. Sofort erloschen Hunderte dieser Glühwürmer, die ihm am nächsten waren, und vor ihm war ein großer dunkler Flecken. Conan verhielt sich jetzt völlig ruhig und schaute nur. Schließlich leuchteten die Würmer hier wieder auf, schwach zuerst, dann hell wie zuvor. Offenbar erschreckten plötzliche Geräusche diese Geschöpfe, und sie verdunkelten sich.
Das Licht war recht angenehm, aber Conan wurde bewußt, daß er weit von seinem eigentlichen Kurs abgekommen sein mußte. Auf seiner Flucht vor den Ratten hatte er den Weg mit den wenigsten Hindernissen genommen, ohne auf die Route zu achten, die Metemphoc, der Meisterdieb, ihm eingeprägt hatte. Es wäre sicher hoffnungslos, seinen Weg zurückverfolgen zu wollen, um den ursprünglichen wiederzufinden. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, den Bachlauf aufwärts zurückzukommen, bestand weiter die Gefahr, daß die Ratten sich noch in der Nähe des eingebrochenen Steges herumtrieben. Und nun hatte er nicht einmal mehr ein Schwert, mit dem er sie bekämpfen könnte.
Er durchforschte die Höhle weiter. Gigantische Stalagmiten wuchsen aus dem Felsboden den von der Decke hängenden Stalaktiten entgegen, und manche
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