Conan-Saga 28 - Conan der Glorreiche
zwang sich, alle Gefühle zu unterdrücken, und hob das Kind aus
dem Korb. Der Kleine zitterte, als er ihn neben den stehenden Krieger legte.
Obwohl er versuchte, nicht darauf zu achten, spürte er die Augen des Jungen auf
seinen.
Hastig,
um es hinter sich zu bringen, holte Naipal den Mörser, aus dem es übel roch. Er
tauchte den kleinen Finger der Linken in die schwarze Paste und schrieb damit
ein Zeichen auf die Stirn des gebundenen Kindes, dann auf die des Kriegers.
Danach wischte er sich den Finger säuberlich ab.
Der
Krieger, das Kind und der größte der Khorassani lagen in einer geraden Linie.
Nun ließ Naipal sich wieder auf die Kissen nieder, um Mächte zu beschwören, die
er noch nie gerufen hatte.
»Mon’draal
un’tar, maran vi’endar!«
Leise
sprach er diese Worte, und doch hallten sie von den Wänden dröhnend wider.
Naipal wiederholte sie, und beim drittenmal schossen Strahlen, so kalt und
bleich wie Bergschnee, aus dem schwarzen Stein. Einer zu dem dunklen Zeichen
auf des Kriegers Stirn, der andere zu dem des Kindes. Weiter sprach Naipal die
Beschwörung. Ein dritter eisiger Strahl schoß aus dem Stein und verband die
beiden Zeichen miteinander. Das Kind krümmte den Rücken und schrie, und so sehr
es sich auch plagte, vermochte es den Kopf nicht unter der glitzernden Spitze
des Zauberdreiecks zu bewegen. Lauter brüllte Naipal die Worte, um das Schreien
des Jungen zu übertönen. Ein seltsamer Laut erklang von den Strahlen, als würde
die Saite einer Zither zu straff gespannt.
Plötzlich
herrschte völlige Stille, und die Strahlen verschwanden. Naipal stieß den Atem
aus. Er stand auf und ging zu dem leblosen Kind. Nur für es hatte er Augen.
»Du
bist von deinem Leben des Elends, der Schmerzen und des Hungers befreit«, sagte
er. »Dein Geist hat ein besseres Zuhause in einem reineren Reich gefunden. Nur
das Leben ward dir genommen. Es mußte ein junges Leben sein, ein noch nicht
voll geformtes.« Er machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Ich würde lieber
die Kinder von Edlen und Wohlhabenden nehmen, wenn ich es könnte.« Er würde
diesem namenlosen Waisen eine Feuerbestattung geben, wie sie eines Lords würdig
wäre, beschloß er.
Langsam
hob sein Blick sich zu der Gestalt in der Lederrüstung. Sie schien immer noch
nicht zu atmen. Aber war nicht Glanz in ihren Augen? »Kannst du mich hören?«
fragte er. Er erhielt keine Antwort. »Komm einen Schritt näher!« Gehorsam
machte der Krieger einen Schritt, dann blieb er wieder wie eine Statue stehen.
»Natürlich«, murmelte Naipal. »Du hast keinen eigenen Willen. Du gehorchst mir,
der dir das Leben wiedergab, und nur mir, außer ich befehle dir, auf einen
anderen zu hören. Gut. Es ist genau, wie es die Schrift besagt. Bis jetzt,
jedenfalls. Folge mir!«
Einen
genau gleichbleibenden Abstand einhaltend, gehorchte der Krieger. Naipal schloß
die Tür in dem Eisengitter auf und winkte. Der andere trat hindurch. Naipal
schloß und verschloß die Tür hinter ihm. Wie gut, dachte er, daß gesprochene
Befehle nicht nötig sind. Das war aus der Schrift nicht klar hervorgegangen.
Ein
dumpfes Hallen erklang, als Naipal mit dem umwickelten Klöppel auf den Gong
schlug. In der Grube schwang die eisenbeschlagene Tür auf. Mit vorsichtigen Schritten
erschienen zwanzig Männer, die sofort den Blick Naipal und der reglosen Gestalt
am Kopf der Rampe zuwandten. Hinter ihnen schloß sich lautlos die Tür. Als die
Männer die Waffen sahen, die auf den Sand gehäuft waren, zögerten sie nur einen
Augenblick, ehe sie darauf zuliefen. Die Männer waren so verschieden, wie die
Klingen, nach denen sie griffen. Ihre Kleidung reichte von schmutzigen Lumpen
zu feinen Seidengewändern, die einmal hohen Herrn gehört haben mochten. Die
Leute waren nicht auf gut Glück gewählt worden. Unter ihnen befanden sich
Räuber, Banditen, fahnenflüchtige Soldaten, und ein jeder wußte mit der Klinge
umzugehen. Dennoch war die Probe nicht zu Ende. Wer überlebte, sollte die
Freiheit und Gold bekommen, das war ihnen versprochen worden. Und Naipal dachte
daran, das Versprechen vielleicht sogar zu halten.
»Töte
sie!« befahl er.
Er
hatte die Worte noch kaum zu Ende gesprochen, da stürmten sechs der
Neubewaffneten brüllend und ihre Klinge schwingend die Rampe hoch. Mit
maskenstarrem Gesicht zog der ledergerüstete Krieger Langschwert und Krummsäbel
und ging den Herbeistürmenden entgegen. Das Versprechen, die Freiheit
wiederzuerlangen, trieb die Gefangenen an, ihr
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