Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
immer noch über ihre seltsamen Bräuche wunderte. Warum also nicht noch etwas länger im Schloß bleiben? Trotzdem wollte er sobald wie möglich einen Fluchtweg auskundschaften und einige Wertgegenstände beiseite schaffen, welche sein Überleben in der Welt sichern würden. Vorsichtig lugte er durch den Torbogen, ehe er auf den langen Gang im Erdgeschoß trat. Er war ziemlich sicher, daß er auf Schritt und Tritt überwacht wurde.
In der Küche half er – wie alle anderen –, das Abendessen auf den langen Tisch zu tragen. Beim Essen vernichtete er allerdings mehr Speisen als alle anderen. Auch beim Trinken ließ er sich nicht lumpen. Die anderen Dienstboten hatten sich an ihn gewöhnt, ja, sie mochten ihn sogar recht gern. Dies traf besonders auf Velda zu, die dicke Oberköchin, welche ständig lose Reden führte. Auch mit dem dürren Glin mit den flachsfarbenen Haaren hatte er sich etwas angefreundet, ebenso mit Lokey, dem leicht schwachsinnigen Küchenjungen, dessen Stirn an einer Seite eingedrückt war, weil ihn dort als Kind ein Maultier getreten hatte.
Conans Riesenappetit stellte für niemanden eine Bedrohung da, weil es in den unteren Räumen des Schlosses genug zu essen gab. Die hohen Herrschaften ließen außerdem immer viel übrig. Bei Tisch lockte Ludya mit ihrer fröhlichen Art den Cimmerier oft aus der Reserve. Sie scherzte unbefangen mit ihm. Oft unterhielt sie auch alle beim Abendessen mit Heldensagen und Schauergeschichten über die Menschenfresser und Riesen im Norden.
Wenn später alle im Bett waren, wartete Conan noch eine Zeitlang auf seinem Lager, ehe er sich zu Ludya schlich. Dort schmiegten sie sich eng aneinander und unterhielten sich leise. Ludya vertraute ihm ihre geheimsten Gedanken und Wünsche an.
»Selbst im klassenbewußten Nemedien kommt es ab und zu vor, daß ein wirklich hübsches Mädchen von einem hohen Herrn so geliebt wird, daß er sie heiratet. Weißt du, Conan, in anderen Ländern im Süden müssen Königinnen und Priesterinnen immer aus edlem Geblüt stammen, aber hier bei uns müssen nur die Männer so standesbewußt leben. Wenn eine Frau schön und mutig ist, kann sie hoch hinaufsteigen. Wie Lady Heldra.« Ludya seufzte sehnsüchtig in Conans Ohr.
»Ein Riesenglück«, meinte er, »solange man nicht wie sie endet: mit Gift im Magen oder einem Dolch im Rücken.«
»Ich diene an der Tafel des Barons, Conan. In letzter Zeit habe ich gespürt, wie der junge Lord Favian mich kaum aus den Augen ließ. Er ist ein heißblütiger Bursche und schon bald im heiratsfähigen Alter.«
Conan brummte unwillig. »Vor Favian kann ich dich nur warnen. Er ist ein jähzorniger Hund, und außerdem lüpft er den Becher zu oft.«
»Ach, ganz im Gegensatz zu dir, Conan, was?« neckte ihn Ludya. »Aber im Ernst, die vornehmen Herrschaften darfst du nicht mit demselben Maß wie gewöhnliche Leute messen. Rang und Verantwortung lasten schwer auf ihnen und treiben sie manchmal zu Ausschweifungen. Favian bäumt sich nur gegen die Strenge seines Vaters auf, was jeder Sohn täte.«
»Also da habe ich eine hervorragende Idee. Wenn du es in der Welt zu etwas bringen willst, solltest du dich bemühen, das wäßrige Auge des Alten auf dich zu ziehen. Marschier bis zur Spitze, heirate den Baron und mach dich zu Favians Mutter!« Conan flüsterte. Trotzdem war der zynische Unterton nicht zu überhören.
»O nein, Conan! Es ist ein überall bekanntes Geheimnis, daß der Baron mit Frauen nichts mehr anfangen kann.« Ludyas Stimme wurde noch vertraulicher. »Im letzten Krieg an der brythinischen Grenze, kurz vor der Geburt Favians, empfing er zwei schwere Wunden. Die eine im Gesicht und die andere da unten.« Ludyas Hand zeigte dem Cimmerier unter der Decke die genaue Stelle. »Die Sitte des nemedischen Adels, einen Kilt zu tragen, ist sehr gefährlich. Er soll übel verstümmelt sein. Deshalb ist er ja auch so in Sorge um Favian, weil dieser der letzte Erbe der Einharsons ist.«
»Aha«, meinte der Cimmerier trocken.
»Aber ich weiß, daß du nur Spaß gemacht hast, Conan. Wirklich, wie kannst du nur so etwas vorschlagen? Ich und den Baron verführen? Nein, wirklich!« Sie versetzte ihm einen leichten Schlag auf die Wange. »Baldomer ist verrückt und alt und sieht auch nicht annähernd so gut aus wie Favian.« Sie küßte den Cimmerier auf die Wange. »Favian dagegen ist ein bildhübscher Bursche. Wie du ... vielleicht sogar noch hübscher. Da bin ich mir noch nicht sicher.«
Es war schon
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