Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
er sie wild in die Arme. Dann führte sie ihn zu ihrem Schlafplatz und gab sich ihm leidenschaftlich hin.
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Der Schrein in der Krypta
»Die Grundlage der Wissenschaft von den edlen Herrscherhäusern und der Wissenschaft aristokratischer Politik ist die ständige Beachtung des Rangs.« Lothian, der älteste Ratgeber des Barons und Minister fürs Protokoll, neigte den alten grauen Kopf, als fürchte er sich, seinem Schüler direkt in die Augen zu blicken. »Rang muß erster und beherrschender Instinkt eines jeden Mitglieds eines modernen Staats sein, vom König bis hinab zum niedrigsten – Gefolgsmann.« Nachdenklich strich er sich durch den sorgfältig gelockten Bart.
»Ich bin nicht sicher, ob ich dies einem ... Barb...« Nervös warf er einen Blick in die stahlblauen Augen Conans, der ihm gegenüber auf einem weichen Diwan saß und ihm gespannt zuhörte. »Ich meine, ich bin nicht sicher, ob ein Fremder wie du dieses überaus wichtige Konzept ganz begreifen kann, der an eine übergeordnete und rohe Art der Regierung gewohnt ist, wie sie in einem relativ ... hm ... primitiven Land vorherrscht ...«
Der greise Ratgeber war nicht sicher, wie er fortfahren sollte, und blickte zu dem Tisch hinüber, auf dem eine rot beschriebene Schriftrolle ausgebreitet war. Die glänzende Tischplatte und der niedrige Diwan füllten beinahe den gesamten Raum. Ein Strahl der Morgensonne fiel durch den schmalen senkrechten Schlitz in der Mauer. Früher hatte sich dort ein breites Fenster befunden. Doch dies war aus Verteidigungsgründen zu einer Schießscharte vermauert worden.
»Wir haben in Cimmerien auch Häuptlinge«, sagte Conan und bemühte sich, auf dem weichen Diwan eine aufrechtere Haltung einzunehmen. »Das ist nichts Besonderes. Solange sie uns gut führen, bleiben sie Häuptlinge.«
»Aha, da ist der Unterschied!« Lothian beugte sich vor. »In Nemedien – wie in allen hyborischen Königreichen – muß der Aristokrat aus edlem Blut gut regieren. Das ist wie ein Naturgesetz. Er regiert gut, weil er durch seine Geburt allen weit überlegen ist.« Der Alte breitete die dünnen Hände mit den blassen Handflächen nach oben aus, um zu zeigen, wie einfach dies war. »Es liegt daher auf der Hand, daß er niemals schlecht regiert und somit ständig seine Macht und seinen Rang vergrößert.«
Als Conan trotz dieser für sich selbst sprechenden Erklärung immer noch die Stirn runzelte, zuckte der Alte mit den Schultern. »Wenn in deiner Heimat ein derartiges Konzept fehlt, dann deshalb, weil sich eure gesellschaftliche Organisation noch nicht genügend entwickelt hat. Offenbar hat die obere Schicht bei euch ... bei deinem schlichten Volk derartige Höhen des Herrschens noch nicht erreicht.«
»Nein, sie ist aber auch noch nicht so tief ins Elend gesunken wie bei euch.« Conan blickte den Ratgeber ohne Haß an. »Nachdem ich drei Tage in einem nemedischen Verlies gelegen habe, weiß ich, wovon ich spreche.«
Lothian verzog das Gesicht, nahm die beiden Elfenbeingriffe des Tisches, zog sich hoch und vertiefte sich einen Augenblick lang in die Schriftrolle. Man hörte nur das Rascheln des Pergaments. Im tiefsten Innern fand der greise Minister diese Aufgabe nervtötend und scheußlich. Die Rolle eines Lehrers, der für einen Wilden arbeitete, war eine lächerliche Umkehrung der natürlichen Ordnung. Besonders bei diesem ungehobelten, muskelbepackten Burschen, der bereits dem Waffenmeister so übel mitgespielt hatte. Lothian blickte kurz zur Tür hinüber. Sie stand einen Spalt breit offen. Den Göttern sei Dank! Dann wandte er sich wieder seinem Schüler zu und schlug den salbungsvollen Ton eines erfahrenen Lehrers an.
»Während der kommenden Tage werden wir die verschiedenen Bereiche des aristokratischen Lebens erörtern: die Kette der Befehle, Rangordnung bei Prozessionen, Heraldik und die Regeln des Schlosses. Für einen Nemedier gehört das zur Allgemeinbildung, du verstehst. Diese Studien bilden die Krone unserer modernen Wissenschaft und sind absolut notwendig für dich, um die Sicherheit des jungen Barons als Leibwächter zu gewährleisten.« Lothian musterte Conan. Seine grauen Augen funkelten neugierig. »Das ist doch deine Aufgabe, nicht wahr?«
»Stimmt.« Der Cimmerier erwiderte den Blick des Ministers ganz ruhig.
»Ich frage nur, weil es ein ziemlich ungewöhnlicher Rang ist. Alle Aristokraten haben ihre eigenen Wachen und Gefolgsleute. Deine Stellung hebt dich irgendwie aus dem normalen Ablauf
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