Conan-Saga 43 - Conan der Landsknecht
zweiten, dem obersten Stock der Herberge lag. Er wollte noch eine Mahlzeit zu sich nehmen, ehe er ausging.
Als der Selkie den Treppenabsatz erreichte, blickte er ganz zufällig durch das kleine Fenster hinaus. Der samtene Himmel war mit Sternen übersät. Wie zahllose funkelnde Nadelspitzen leuchteten sie neben der Mondsichel. Die kühle Nachtluft trug den Geruch des Sees durchs Fenster herein. Kleg fühlte sich hervorragend, bis er noch einmal nach unten schaute.
Auf der engen Gasse zwischen der Herberge und dem Laden mit Lederwaren huschten mehrere Gestalten dahin. Im Schein der Fackel, die neben dem Eingang der Herberge steckte, erkannte der Selkie mit seinen scharfen Augen, daß diese Schemen weder Menschen noch Selkies waren.
Es waren Pili.
Kleg wurde es eiskalt, doch kam das nicht von der Nachtluft, die durchs Fenster hereinwehte.
Pili! Wie konnten sie hier sein? Der Torposter hätte nie eine Abteilung Bewaffneter hereingelassen. Waren sie über die hohe Palisade geklettert? Hatten sie das Tor zerschmettert?
Aber eigentlich spielte es keine Rolle, wie sie ins Dorf gelangt waren. Wichtig war, warum sie hier waren. Ja, sie sind hinter dir her, da besteht kein Zweifel, sagte sich Kleg.
Einen Augenblick lang ergriff ihn Panik. Diese Abteilung Pili bewegte sich so mühelos und schnell durchs Dorf wie Kot durch einen Wurm. Es konnte sich nur um Minuten handeln, bis sie ihn aufgestöbert hatten.
Unwillkürlich griff er zum Beutel am Gürtel, der den magischen Samen enthielt. Sollten die Pili ihm aus irgendeinem Grund das Leben schenken, nachdem sie den Talisman gefunden hatten, würde ihm das auch nichts nützen. Im Gegenteil – ein schneller Tod durch den Speer oder vergifteten Pfeil war bei weitem angenehmer als das, was Er der Schöpfer ihm zufügen würde, wenn er ohne den Talisman zurückkehrte. Er mußte fliehen!
Ja, nichts wie weg! Zum See! Obwohl die Pfade in den verschlungenen Pflanzen im Dunkeln sehr gefährlich waren, mußte er es riskieren. In der verwandelten Gestalt hatte er dort im Wasser größere Aussichten zu überleben als hier auf zwei Beinen. Auch wenn es den Pili gelungen war, eine Bresche in die Palisade ums Dorf zu schlagen, würde eher die Sonne in der Wüste erkalten, als daß sie so gut schwimmen lernten, daß sie einen Selkie einholen konnten!
Vorsichtig schlich Kleg die Treppe hinunter.
Da ertönte unten eine laute Stimme. »Wir suchen einen Fischmann! Ist bei euch einer? Rede, oder du bekommst meinen Speer zu spüren!«
»O-o-b-ben«, lautete die zittrige Antwort.
Kleg erstarrte. Bei den Schwarzen Tiefen des Sargasso! Er saß in der Falle!
Ein großer Pili rutschte die Sanddüne herab und landete neben der Königin. Thayla hatte diesen Burschen bereits als Liebhaber vorgemerkt, sobald er etwas älter wäre.
»Sie kommen!« meldete er aufgeregt.
Thayla nickte. »Genau, wie ich geplant habe. Du weißt, was du zu tun hast?«
»Ja, meine Königin.«
»Dann mach dich bereit!«
Der junge Pili nickte und kletterte wieder nach oben zu seinen beiden Kameraden. Die Königin folgte etwas langsamer. Sie wollte vom Kamm dieser Düne aus zusehen, wie ihre Männer die Feinde angriffen. Zahlenmäßig waren beide Gruppen ungefähr gleich stark. Sie aber hatten den Vorteil des Überraschungsmoments. Es war auch gut, daß es Nacht war; denn im Dunklen gerieten alle leicht in Verwirrung. Die Pili sahen und hörten allerdings auch nicht besser als die Menschen.
Selbst wenn viele oder alle ihrer jungen Pili starben, war es Thayla auch gleichgültig. Wichtig war nur, daß sie bekam, was sie wollte.
Jetzt freute sie sich schon, das Blutbad mit eigenen Augen zu beobachten. Zweifellos wären die Reptilien-Vorfahren der Königin mit dem Lächeln zufrieden gewesen, zu dem sich Thaylas Lippen bei diesem Gedanken kräuselten.
Immer noch lächelnd bezog die Königin der Pili eine Stellung, von wo aus sie das Schlachtfeld überschauen konnte.
Conan schlich sich von den anderen weg und schlug einen Bogen nach rechts. Vielleicht hatte Cheen recht. Dann machte er sich unnötig Sorgen – wie ein Kind, das in der Dunkelheit Angst vor Gespenstern hat. Der Cimmerier hatte aber durch die Begegnung mit Crom gelernt – sofern das nicht eine durch den Zaubertrank hervorgerufene Illusion gewesen war –, daß ein unüberlegter Sprung ins Ungewisse sehr gefährlich sein konnte. Hätte er bei der Zeremonie in den Bäumen nicht das Seil um den Knöchel gehabt, wäre sein Gehirn über die Wurzeln am
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