Conan-Saga 45 - Conan der Grosse
unheimlich gewirkt. Das Mondlicht fiel auf weiße Steinbrocken, die so schmal und spitz waren, daß man sie für Gerippe hätte halten können. Kaum mannshohe, verkrüppelte Bäume wuchsen zwischendrin. Das Gras war spärlich und dürr.
Die einzige Deckung für die Soldaten gaben einige große Granitbrocken ab, die verstreut herumlagen und mit Farn bewachsen waren. In der Nacht konnte man nicht erkennen, ob diese Findlinge hier seit der Zeit lagen, als die Götter das Gebirge erschaffen hatten, oder ob sie – wie es an manchen Stellen aussah – die Ruinen eines Menschenvolks waren, das vor Urzeiten hier gewohnt hatte. Der Rand des Plateaus war eine große Geröllhalde, in der sich ausgetrocknete Gebirgsbäche dahinschlängelten. Offenbar hatten die Steine das Wasser an vielen Stellen gestaut und umgeleitet. Von faustgroßen Brocken bis zu solchen, die wie ausgewachsene Ochsen aussahen, gab es alle Sorten. Dieses Gelände war für Pferde absolut ungeeignet und auch für Fußsoldaten sehr gefährlich.
Trotz der Höhe war es eigenartig warm. Kein scharfer Wind blies. Nur milde, wohlriechende Brisen wehten aus dem Tal herauf. Conan führte sein Roß ein Stück weiter. Nach Süden ging es langsam bergab. Kein Zweifel! Sie hatten die Paßhöhe erreicht: Ein außergewöhnlicher Ort für das Aufeinandertreffen zweier Armeen. Hier würde sich seine Hoffnung zu siegen, entscheiden.
Jede Stunde kamen Späher zurück und meldeten Größe und Position der feindlichen Truppen. Einer führte den König auf einen Felsvorsprung, von wo aus er das feindliche Lager sehen konnte. Die Zahl der Zelte und Lagerfeuer, die sich bis ins Tal erstreckten, war beeindruckend, ja furchteinflößend. Alles in allem war diese Armee zahlenmäßig mindestens ebensogroß wie die Conans. Zehntausend Mann oder mehr, zu Fuß und beritten.
Der König dachte nach. Wenn man sie auf diesem Gelände auseinanderjagen könnte und dann die versprengten Soldaten einzeln oder in kleinen Abteilungen niedermachte, wäre das eine feine Sache – aber es gab keine Hoffnung, durch einen Hinterhalt den Feind zur Auflösung zu bewegen. Seine Kundschafter hatten ihm gemeldet, daß auch feindliche Späher unterwegs seien. Wahrscheinlich beobachteten sie in diesem Augenblick jede Bewegung, die er und seine Patrouille machten. Mit Sicherheit hatten sie auch seine Armee bereits entdeckt und ebenfalls taxiert. Plötzlich flog ein Nachtvogel aus dem Stechginster auf. Sofort schickte er einen Schwarzen Drachen los, um nachzusehen.
Nein, sagte sich Conan, wichtigste Aufgabe würde es sein, alle Fallen zu meiden, die der Feind für ihn und seine Männer aufgestellt hatte. Die kothischen Generäle waren verschlagene Taktiker. Wenn der listige Armiro selbst dabei war ... durfte er diese Hoffnung hegen? ... dann würde es noch schwieriger werden, den Sieg zu erringen.
Auf alle Fälle war sein Plan, das verletzbare Hinterland des Feinds anzugreifen, hinfällig geworden. In Rauch aufgelöst hatte sich auch der Plan, dem jungen Tyrannen mit einem Handstreich Thron und Land zu entreißen. Keine blitzschnellen Manöver, keine räuberischen Überfälle. Keine Chance, daß die Kother in kleine Grüppchen zersplittert waren, die er in mehreren ungleichen Scharmützeln aufreiben könnte, um das Imperium auf elegant indirekte Art und Weise zu unterjochen. Jetzt würde alles in einer Schlacht zwischen zwei Heeren, die zahlenmäßig ungefähr gleich stark waren, auf einem für beide schwierigen und unbekannten Gelände, entschieden werden.
Die entscheidenden Faktoren waren Zeitpunkt, Ausdauer und Kampfesmut. Die Verluste würden schwer werden, und der Verlierer – selbst wenn er nur um Haaresbreite verlor – würde einen steilen, gefährlichen Pfad hinabgetrieben werden. Der Sieger würde ihn mit Sicherheit in den Tod hetzen. Die Vernichtung würde vollkommen werden, der Sieg nur hauchdünn oder illusorisch.
Ja, hier lag das Schicksal vor ihm. Es war eine Schlacht von epochaler Bedeutung. Eine Schlacht, für die Conan sein ganzes Leben lang durch Träume und Legenden vorbereitet worden war. Er war dazu auserwählt, die Armee des größten Imperiums der Erde gegen die Armee des zweitgrößten zu führen, um das Schicksal der Welt zu entscheiden. Sein Name und sein Ruhm standen auf dem Spiel. Sieg oder Niederlage, Leben oder Tod? Für einen Krieger war das ein herrliches Schicksal. Genau danach hatte er sich im Innersten verzehrt. Warum jedoch empfand er jetzt diese eigenartige Scheu?
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