Conan-Saga 47 - Conan das Schlitzohr
leer. Sie brachte dem Cimmerier sogleich eine große Platte mit Fleisch, Eiern und heißem Brot. Nachdem Conan tüchtig zugelangt hatte, war er besserer Laune. Er ging hinaus, um sich in der Stadt umzusehen. Erst schritt er zum Stadttor. Der Wachposten war nicht derselbe, der sie gestern begrüßt hatte, sah jedoch ebenso unsoldatisch aus: Er war ein fetter alter Mann, der hinkte.
»Ist heute ein Mann durchs Tor gekommen, der ...« Conan überlegte kurz, wie er Piris am besten beschrieb, »... nun, weibisch aussieht und Kleidung liebt, in der eine Kurtisane gut aussähe.«
»Nein. Ich habe zwar schon viele komische Figuren gesehen, aber ein solcher Bursche ist heute noch nicht durchgekommen.«
Conan warf dem Mann eine Münze zu, die dieser geschickt auffing. »Sollte er eintreffen, solange du Wache schiebst, sag ihm, daß Conan der Cimmerier in der ersten Herberge an der Hauptstraße abgestiegen ist.«
Der Posten musterte Conan und fragte sich wohl, was der Fremde mit einem solchen Mann zu schaffen habe, aber er war klug genug, nicht zu fragen. »Jawohl, Sir, ich werde es ausrichten.«
Conan dankte dem Wächter und kehrte zurück. Jetzt bei Tage konnte er die Stadt zum ersten Mal genauer in Augenschein nehmen. Was er sah, gefiel ihm eigentlich. Die Architektur entsprach dem Stil in diesem Distrikt Aquiloniens. Bei den meisten Gebäuden war das Erdgeschoß aus rauhen Feldsteinen gemauert, und die oberen Stockwerke aus Holz gezimmert.
Eine Straße war zu beiden Seiten von den Gildehallen der verschiedenen Zünfte gesäumt. Unter den beeindruckenden Gebäuden ragte eines wie ein verfaulter schwarzer Zahn inmitten gesunder Zähne heraus. Es war einem Brand zum Opfer gefallen. Zwei gekreuzte Spitzhacken waren über die Eingangstür genagelt und zeigten damit an, daß es sich um das Zunfthaus der Bergarbeiter handelte.
Aus einem Haus heraus hörte Conan vertraute Musik: Waffenklirren. Der rhythmische Klang der Schwerter zeigte ihm an, daß dort geübt, nicht gekämpft wurde. Er ging hinein. Ungefähr hundert Männer wurden von einem Waffenmeister und seinen Gehilfen ausgebildet. Die Schüler standen sich paarweise gegenüber und wechselten auf Zuruf des Meisters zwischen Attacke und Parierschlägen. Alle trugen gepolsterte Jacken und feste Helme. Die Schwerter waren stumpf und hatten Korbgriffe, um die Hände zu schützen.
An den Wänden hingen viele Übungswaffen und kleine Schilde. Die Lieblingswaffe schien jedoch das einhändige Breitschwert zu sein. Damit konnte man am besten auf den Straßen in der Stadt kämpfen. Die Männer schauten grimmig und entschlossen drein, aber der Cimmerier sah sogleich, daß nur wenige über Talent verfügten. Der Waffenmeister, ein drahtiger Mann, Mitte Vierzig, erklärte eine Pause. Dann erblickte er den Cimmerier und trat mit abschätzenden Blicken auf ihn zu.
»Du siehst aus wie ein Mann, der meinen Unterricht nicht nötig hat«, sagte er zur Begrüßung.
»Ich habe das Waffenklirren gehört und wollte mich umsehen«, sagte Conan. »Noch nie habe ich eine Waffenschule mit so vielen überalterten Bürgern als Schülern gesehen.«
Das Lächeln des Meisters war wie ein weißer Blitz in dem dunklen Gesicht. »Ich habe vor einem Jahr von dieser Stadt gehört und bin hergekommen, weil ich glaubte, daß eine Stadt in Angst ein guter Platz sei, um mein Handwerk auszuüben. Und ich hatte recht. Schmiede von Waffen und Rüstungen verdienen hier ebenfalls sehr gut. Die Bürger tragen soviel Eisen unter ihrer Kleidung, daß sie fürchten müssen, jeder Blitz schlägt bei ihnen ein.«
»Unterrichtest du außer ehrenwerten Bürgern auch Halunken?« wollte Conan wissen.
Wieder ein schnelles Lächeln. »Die unterrichte ich abends.«
»Und wie schneiden sie ab?«
»Einige sind gute Kämpfer, und im Töten sind alle Fachleute.«
»Trifft das auch auf Ermaks Männer zu?« Conan wußte, daß es äußerst schwierig war, einen berufsmäßigen Schwertkämpfer dazu zu bringen, Berufsgeheimnisse auszuplaudern.
»Das sind erfahrene Kämpfer; im Schwertkampf allerdings zweitklassig. Soldaten vom Schlachtfeld sind selten Meister im Einzelkampf. Ermaks Männer kämpfen weit besser als alle anderen, doch ihr wahres Können zeigen sie mit Pike und Hellebarde.«
»Was ist mit den Anhängern Ingas, die rotes Leder tragen?«
»Die kommen nie hierher. Ihr Können ist begrenzt, doch kämpfen sie am bösartigsten. Ihre Lieblingswaffen sind khorajische Säbel, weil man damit ohne großes Können
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