Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
Begegnung war wie ein Traum gewesen. Er entsann sich nur schwach daran, aber er konnte den Gedanken an die seltsame junge Frau nicht mehr loswerden.
Aus unerfindlichen Gründen war er ihr in den verlassenen alten Teil der Stadt gefolgt, den er nie zuvor betreten hatte. Dort standen alte Gebäude – meist Ruinen –, die aus einer Zeit vor der Gründung der Stadt stammten. Aus Aberglauben hatte man den Zutritt zu diesen Gebäuden streng verboten. Die Stadtwache scheuchte jeden Neugierigen sofort weg, der einen näheren Blick darauf werfen wollte. An jenem Abend waren sie an dem Wachposten vorbeigegangen. Die Soldaten hatten direkt durch sie hindurchgesehen, als würden sie gar nicht existieren. Lamici hatte Angst gehabt, war jedoch trotzdem mit der Frau in eines der baufälligen Gebäude hineingegangen.
Das Bauwerk erinnerte ihn an einen Tempel, war jedoch völlig schmucklos und kahl. Azora sagte etwas, worauf ein riesiger Marmorblock nach vorn aus der Mauer herausschwang und einen engen gewundenen Gang preisgab. Der Gegensatz zwischen dem kahlen Tempel und dem Gang war verblüffend. Tiefe rote Teppiche, wie Matten aus Blut, bedeckten die Steinplatten des Bodens. Seltsam geformte Fackeln hingen an den Wänden und brannten mit rauchlosem grünen Feuer. Lamici folgte ihr zu einer bronzenen Doppeltür, die beinahe doppelt so hoch war wie er. Ein schweres Vorhängeschloß sicherte zwei bizarr geschnitzte Holzgriffe. Auf Azoras Befehl hin öffnete sich das Schloß, und die Türflügel schwangen nach innen, so als hätte sie ein unsichtbarer Riese aufgestoßen.
Ein Schwall stinkender Luft kam ihm entgegen und hüllte ihn ein. Sein Magen empörte sich gegen den Gestank. Es roch nach Tod und Verwesung. Am liebsten wäre er weggerannt, aber er war nicht mehr Herr seiner Handlungen. Statt dessen folgte er ihr in die Dunkelheit. Sie entzündete mehrere Dutzend Kerzen und stellte sie sorgfältig kreisförmig um einen großen Gegenstand in der Mitte des Raums auf. Als seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, sah er, daß der Gegenstand ein Altar war. Von diesem ging der widerwärtige Gestank aus. Er strengte sich an, um die seltsamen Symbole genauer zu erkennen, die auf die Altarwände eingeritzt waren, doch da sprach Azora ihn an.
»Ich weiß, wer du bist und was du dir wünschst, Eunuch«, sagte sie mit einer überirdisch schönen Stimme, die in dem seltsamen Raum gespenstisch hallte. »Derartiges Wissen ist nur der Hohenpriesterin der Mutare verliehen. Ich habe dich hierhergeführt, weil du mir etwas bringen kannst, das ich haben will. Als Gegenleistung werde ich meine Kräfte einsetzen, um dir zu helfen, den König aus dem Weg zu schaffen und einen anderen auf den Thron zu setzen. Wen, bleibt einzig und allein dir überlassen.«
»Du verfügst tatsächlich über derartige Macht?« fragte er, bedauerte jedoch sogleich, an ihr gezweifelt zu haben. »Was kann ich für dich tun?«
»Der König vertraut dir, und du hast freien Zugang zum Palast. Weiterhin hat er dich mit der Erziehung seiner Tochter betraut. Ich werde dir eine Salbe geben. Wenn du diese auf die Haut einer Frau aufträgst, schläft sie sogleich ein. Du wirst die Tochter des Königs mit dieser Salbe einreiben. Wenn sie schläft, bringst du sie zu mir.«
»Was ist, wenn man mich sieht? Und warum kannst du es nicht selbst tun, wenn du doch über so viel Macht verfügst ...?«
»... die Tat selbst vollbringen?« unterbrach sie ihn. »Meine wahre Erscheinung kann einem weiblichen menschlichen Wesen nicht verborgen bleiben. Auch für die Mutare gelten leider gewisse Grenzen.«
»Deine wahre Erscheinung? Was ...?« Er war erschrocken zurückgeprallt, als sie die Kapuze zurückgestreift und die Lederhandschuhe abgelegt hatte. Sie lächelte ihm mit pechschwarzen Zähnen zu. Jetzt sah er, da ihre Augen tatsächlich glühten, wie er beim ersten Mal geglaubt hatte. Sie waren orangerot wie glühende Eisen im Schmiedefeuer. Ihre Fingernägel waren so schwarz wie Ruß und bildeten einen scharfen Gegensatz zu ihrer blendendweißen Haut. Bei diesem Anblick hatte es ihn geschaudert. Er hatte sich so gefürchtet, daß er beinahe die Herrschaft über seine Blase verloren hätte wie ein verängstigter Welpe.
»Jetzt weißt du, wer und was ich bin, Eunuch. Ich darf nicht gesehen werden. Die Priester Mitras sind seit Urzeiten die Feinde der Mutare, und ich habe keine Zeit für lästige Unterbrechungen. Die Angelegenheiten dieses Landes sind mir völlig gleichgültig. Mich
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