Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
der König würde in einem der Gemächer im oberen Stockwerk leben, doch der Zingarer hatte ihm gesagt, daß Eldran es vorzog, im Erdgeschoß zu wohnen.
Bis jetzt hatte er noch keinen einzigen Menschen in den engen Gängen getroffen, nicht einmal einen Wachposten oder Diener. Offenbar schlief der gesamte Palast friedlich bis Sonnenaufgang. Dann würden der Lärm und die Geschäftigkeit des Alltags wieder alles mit Leben erfüllen. Madesus war über diese seltsame Stimmung verwundert, aber er war froh, daß ihn bisher niemand bemerkt hatte. Noch einige Biegungen, dann müßte er vor den königlichen Gemächern sein. Sein Herz schlug schneller, wenn er daran dachte, wie er Eldran vom Fluch der Mutare befreien sollte. Er mußte mit Widerstand rechnen und war sich des Ergebnisses nicht sicher. Würden sich die Kräfte der Mutare-Priesterin als stärker erweisen? Bald würde er es wissen.
Er kam in den kurzen weiten Gang, den der Posten ihm beschrieben hatte. Er mußte die Tür nach rechts nehmen. Links waren auch zwei Türen. Eine Tür stand weit offen. Sie hing schief in den mit Gewalt verbogenen Angeln. Auch der Riegel war herausgerissen. Madesus wunderte sich darüber, da der Rest des Palastes in hervorragendem Zustand war. Neugierig ging er auf die Tür zu, um sie sich näher anzusehen. Dann hätte er um ein Haar erschrocken aufgeschrien, als jemand ihn von hinten packte. Eine große Hand legte sich auf seinen Mund. Er wurde so schnell nach hinten gezerrt, daß er beinahe hingefallen wäre.
»Seht! Madesus!« flüsterte ihm eine rauhe, vertraute Stimme ins Ohr. »Ich bin's, Conan. Keinen Laut. Ich brauche deine Hilfe.«
Madesus nickte stumm und fragte sich, was der Cimmerier im Palast tat. Conan nahm die Hand vom Mund des Heilers. Der riesige Barbar zeigte auf die zerbrochene Tür und winkte dem Priester, ihm zu folgen. Madesus sah, daß die andere Tür, die soeben noch geschlossen war, jetzt offenstand. Der Cimmerier hatte sich offenbar dahinter versteckt. Der Priester staunte über die raubkatzenartige Fähigkeit dieses schwarzhaarigen Barbaren, sich lautlos zu bewegen. Madesus hatte keinen Laut gehört. Dabei hätte sogar der leiseste Kratzer in dem leeren Korridor widergehallt.
Der Priester folgte Conan nur zögernd in den Raum hinter der aufgebrochenen Tür. Er sah jetzt, daß diese Tür zu einer Art Verlies führte. Deshalb war der Riegel auch an der Außenseite angebracht. Mit Recht vermutete er, daß Conan für die Zerstörung verantwortlich war. Dabei hatte er erst vor wenigen Tagen das Handgelenk des Barbaren geheilt. Der Cimmerier besaß augenscheinlich eine unwahrscheinliche Fähigkeit, sich schnell zu erholen. Madesus vermutete, daß Conan hier als Gefangener festgehalten worden war.
In dem nächsten Raum war noch eine Tür, die ebenso aufgebrochen war wie die äußere. Zwei Palastwachen lagen in ihrem Blut davor. Conan ging voran. Sie kamen zu einer engen Treppe, die nach unten führte, wahrscheinlich ins Verlies. Conan winkte Madesus, ihm zu folgen. Der Heiler verzog das Gesicht beim Anblick der toten Wachen und blieb auf der ersten Stufe stehen.
Conan schob die Tür wieder einigermaßen zurecht. Allerdings schloß sie nun nicht mehr richtig. Das Licht oben an der Treppe war sehr viel heller als das in den Korridoren und in der Wachstube, denn hier hingen zwei Laternen an der Wand. Jetzt erst bemerkte Madesus, daß Conan am ganzen Leib Abschürfungen und Blutergüsse hatte. Einige Wunden bluteten noch, doch die eisblauen Augen des Cimmeriers strahlten. Der Hüne schenkte den Schmerzen keinerlei Beachtung.
»Conan! Wieder hat das Geschick die Fäden unserer Schicksale verwoben. Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du jegliche Begegnung mit der Stadtwache vermeiden. Was führt dich in den Palast?«
»Ich habe Hassem gesucht, diesen elenden Dieb, der mir den Mord an der Prinzessin in die Schuhe geschoben hat. Statt dessen habe ich beinahe das Leben verloren. Diese Stadt ist ein Pfuhl der Korruption und der Lügen. Erlik hol diese zivilisierten Menschen und ihr unehrenhaftes Verhalten! Bei Crom, ich habe bei den primitiven Pikten mehr Ehre gesehen als bei den Menschen in dieser verfluchten Stadt. Die Hunde haben mich gefangen und in einer der stinkenden Zellen in Ketten gelegt. Ich sollte bis Sonnenaufgang dort bleiben. Dann sollte mein Kopf unter dem Beil des Henkers rollen – ihre Vorstellung von Gerechtigkeit!
Salvorus, der Hauptmann der Wache, schleppte Hassem in die Zelle neben meiner.
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