Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
führen, Segel setzen und solche Dinge?«
»Ich sehe, daß man dieses Boot allein nur schwer bewältigt, Temoten. Keine Angst, ich helfe dir, uns über den Fluß zu setzen.«
Der Fährmann verzog das Gesicht und blickte mißmutig ins Uferschilf. Neesa schleppte einen doppelten Wasserschlauch herbei. Conan nahm ihr die Last ab und verstaute sie im Boot. Geschmeidig sprang sie aufs Deck und ergriff die Pinne. Daran hielt sie sich fest und blickte hinab auf den Styx. Ihr dichtes schwarzes Haar blähte sich im Wind.
Conan trat zu ihr. Auf dem breiten glänzenden Fluß wiegten sich in der Ferne kleine Fischerboote, von denen die Männer Netze auswarfen. Der Luftzug vom Wasser herauf war frisch und erquickend.
»Es ist wunderschön«, sagte Neesa verträumt. »Ich habe den Styx noch nie gesehen. Seit ich ein Kind war, bin ich nie aus Akkharia herausgekommen.«
»Crom«, sagte Conan mit eigenartig sanfter Stimme. »So kann man doch nicht leben. Man hat doch nur ein Leben und eine Welt. Man sollte beides so weit wie möglich auskosten. Bei Ymirs Bart, ich würde verrückt, wenn man mich mein ganzes Leben in einer einzigen Stadt einsperren würde.«
Neesa schaute zu ihm auf. In ihren schwarzen Augen lag aufrichtige Ehrlichkeit. »Ich weiß, daß es falsch ist, das zu sagen, aber, Conan, diese Reise ist das Herrlichste, was ich je erlebt habe. Mein ganzes Leben war ich Lady Zelandra dankbar für die Zuflucht, die sie mir gab, doch jetzt stelle ich fest, daß mir diese Reise Freude macht, die wir im Schatten ihres Todes machen.«
Conans Züge wurden grimmig. Er schaute in den Wind. »Alle Reisen werden im Schatten des Todes unternommen«, erklärte er knapp. »Lebe jetzt in dem Bewußtsein, daß du mit dem Tod kämpfen mußt, wenn er kommt.«
Die Frau trat vor und preßte sich mit fieberhaftem Verlangen an ihn. Der Barbar war von ihrer Kühnheit überrascht, doch nahm er ihr Kinn in die Hand und hob ihr Gesicht. Tränen schimmerten in ihren dunklen Augen.
»Küß mich!« flüsterte sie. Conan preßte seinen Mund auf ihre Lippen und zog sie noch näher an sich heran. Dann legte er einen Arm um ihre Taille, den anderen unter ihre Kniekehlen und hob sie hoch. Ihre Lippen trennten sich, als er sie zu dem Sonnendach trug, unter dem ihre Habe verstaut war. Neesa sah, daß er in der Mitte des Stapels eine Mulde gelassen hatte, in die er eine Decke gebreitet hatte.
»Oh«, sagte sie überrascht. »Du denkst wohl an alles.« Conan legte sie behutsam auf die Decke des Nestes.
»Warum wohl habe ich die beiden in die Stadt geschickt?« fragte er, gab ihr jedoch keine Gelegenheit zu einer Antwort.
Draußen auf dem Dock blickte Temoten wieder auf seine schmutzigen Fingernägel. Mit einem sehnsüchtigen Seufzer betrat er seine Hütte, um einen Schluck zu trinken.
A CHTZEHN
Das Boot glitt durchs Wasser. Gischt schäumte am Bug. Unter dem wolkenlosen Nachmittagshimmel leuchtete der Styx wunderschön in Blau. Kleine Fischerboote aus Papyrusbündeln glitten paarweise dahin und schleppten Netze zwischen sich her. Die Fischer waren beschäftigt und schenkten Temotens Fähre keine große Aufmerksamkeit. Temoten wirkte wesentlich ruhiger, sobald sie die Fischerboote hinter sich gelassen und die Flußmitte überfahren hatten. Das geflickte Segel blähte sich, als Temoten sich in die Pinne legte. Auch Conan und Heng Shih entspannten sich auf dem Achterdeck. Der Barbar hatte sich ausgestreckt, der Khiter saß mit untergeschlagenen Beinen da und ließ sich die Sonne auf das Gesicht scheinen. Unter dem flatternden Sonnendach aus Ochsenhaut saßen Lady Zelandra und Neesa im Schatten und unterhielten sich leise.
Das Trio achtern schwieg. Temoten blickte mehrmals neugierig auf Heng Shih, der mit bloßem Oberkörper dasaß. Schweiß glänzte auf seiner nackten gelben Haut.
»Kann dein Freund überhaupt sprechen?« fragte der Fährmann schließlich. Conan grinste und streckte sich wie eine Katze in der Sonne. Heng Shih öffnete nicht die Augen.
»Er ist stumm, doch kann er mittels der Zeichensprache mit Lady Zelandra sprechen.«
»Was ...?« Temoten machte eine Pause. Dann nahm er allen Mut zusammen. »Was für ein Mann ist er?«
Conan glaubte, Heng Shihs Augen unter den Lidern glänzen zu sehen. »Er ist ein Khiter aus dem fernen Osten.«
»Ich habe noch nie einen Mann wie ihn gesehen. Sind alle Männer in diesem Land so fett und riesig?«
Jetzt war Conan sicher, daß sich Heng Shihs Augen einen Spalt geöffnet hatten.
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